Rede an die Nation
Moskau: Medwedew warnt vor neuem Wettrüsten
Sollte die gemeinsame Raketenabwehr scheitern und es zum Wettrüsten kommen, "müssen wir in den kommenden zehn Jahren über die Stationierung von neuen Streitkräften entscheiden", fügte Medwedew hinzu.
Die NATO und Russland hatten beim NATO-Gipfel in Lissabon eine Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr vereinbart und damit ein neues Kapitel ihrer Beziehungen aufgeschlagen. Der geplante NATO-Raketenschirm soll weite Teile Europas schützen. Medwedew bekräftigte in seiner jährlichen Ansprache vor den beiden Parlamentskammern die Bereitschaft Russlands zur Zusammenarbeit mit dem militärischen Bündnis und der Europäischen Union.
EU zu Unterstützung aufgefordert
An die EU appellierte er erneut, endlich die Visapflicht für Russen aufzuheben. Brüssel sollte Moskau auch bei der seit Langem geplanten Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO helfen. In seiner dritten Programmrede forderte Medwedew den Westen zudem auf, Russland auf seinem Modernisierungskurs zu unterstützen. Dazu gehörten der Austausch von Technologien und qualifizierten Wissenschaftlern, sagte er vor seiner Teilnahme am EU-Russland-Gipfel in der nächsten Woche in Brüssel.
Niedrige Geburtenrate als eines der größten Probleme
Den Schwerpunkt setzte Medwedew auf die demografischen Probleme des größten Landes der Erde. Man werde in den kommenden 15 Jahren die niedrige Geburtenrate der 90er-Jahre zu spüren bekommen. "Das ist eine Herausforderung für unser ganzes Land." Er wies die Regierung an, Schritte zur Erhöhung der Geburtenrate zu ergreifen und Familien besser als bisher zu fördern. Familien mit drei oder mehr Kindern sollten ein kostenloses Grundstück erhalten sowie Steuererleichterungen von monatlich umgerechnet 70 Euro pro Kind. Nach offiziellen Angaben sank die Bevölkerungszahl in Russland zwischen seit Mitte der 90er-Jahre um mehrere Millionen. Anders als in Ländern mit ebenso niedriger Geburtenrate wie Deutschland oder Japan ist die Lebenserwartung in Russland sehr niedrig.
"Direkte Verbindungen" zwischen Polizei und Kriminellen
Medwedew sagte in seiner Rede auch der Korruption den Kampf an. Der Staatschef warf Strafverfolgungsbehörden Verbindungen zur Mafia vor und forderte höhere Strafen für Bestechung - die Geldstrafen sollten Hundert Mal so hoch wie die Höhe des Schmiergeldes sein. Außerdem müsse die Vergabe von Staatsaufträgen geändert werden, um die Korruption einzudämmen. Medwedew prangerte "direkte Verbindungen" zwischen Polizei und Kriminellen an. In letzter Zeit habe es "tragische Ereignisse" gegeben, bei denen Menschen getötet worden seien. Gründe dafür seien "die Laxheit innerhalb der Organe zur Aufrechterhaltung der Ordnung und häufig deren direkte Verbindungen zur Welt des Verbrechens".
"Russlands Status als moderne Weltmacht bestätigt"
Der Präsident versprach seinen Landsleuten, entschlossene Schritte für eine Modernisierung der Wirtschaft und die Stabilisierung der Preise zu unternehmen. Künftig müsse mindestens die Hälfte der Ausgaben der Regierung in Reformprogramme fließen. Weiterhin sagte er zu, die Inflationsrate innerhalb der kommenden drei Jahre auf unter fünf Prozent zu drücken. Es wird erwartet, dass die Rate in diesem Jahr rund neun Prozent erreicht.
Zugleich zog Medwedew eine positive Bilanz seiner drei Jahre im Amt des Staatschefs. Diese Zeit habe "Russlands Status als moderne Weltmacht bestätigt, die mittels Modernisierung Erfolge erzielt". "Wir haben es geschafft, die Wirtschaft zu stabilisieren", sagte er. Für dieses Jahr sagte er ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent voraus. Derzeit gebe es in Russland fünf Millionen Arbeitslose und damit zwei Millionen weniger als zum Höhepunkt der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. "Wir müssen uns für das Land, das wir unseren Kindern und Enkeln übergeben, keineswegs schämen", sagte Medwedew.
Beobachter orten blutleere Rede
Kommentatoren sprachen in einer ersten Reaktion von einer insgesamt blutleeren und schwachen Rede ohne Visionen. Traditionell ist die Ansprache vor etwa 1.000 Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur sowie vor Religionsvertretern ein Rundumschlag zu innen- und außenpolitischen Fragen sowie zur wirtschaftlichen Entwicklung.
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