Österreich hat genug. Das sieht man zum Beispiel an den Mobilitätsdaten, die im dritten Lockdown verglichen mit dem ersten ganz wo anders sind. Jeder Lockdown zeigt weniger Effekt, die Zahlen sinken nicht merklich, Proteste und Demonstrationen werden nicht nur in Österreich, sondern zuletzt auch in Israel und in den Niederlanden immer lauter und heftiger. Bringen Lockdowns überhaupt noch etwas - und wie können wir die Inzidenz sonst senken? Professor Bernhard Kittel, Wirtschaftssoziologe, und Dr Axel Sonntag, Verhaltensökonom, haben bei „Moment Mal“ im Gespräch mit Damita Pressl aufgeklärt.
„Im ersten Lockdown hatten wir eine massive Bedrohungswahrnehmung. Wir haben die Bilder aus Norditalien gesehen und gemerkt, das kommt jetzt auf uns zu“, so Kittel. Dieser Schock, gepaart mit der Erwartung, dass die Krise nur kurz andauern würde und bis zum Sommer zu überstehen sei, habe im Frühjahr 2020 für Zusammenhalt und das Beachten der Regeln gesorgt. „Man dachte, dass wir es durch einen gemeinsamen Kraftakt schnell hinter uns bringen“, so Sonntag.
Ein Covid-19-Patient in der Notaufnahme des „Hospitale Antonio Cardarelli“ in Neapel
(Bild: AFP)
Doch dann begann es, zu bröckeln. Unter anderem, weil „man andere dabei wahrnimmt, wie sie Grenzen überschreiten“, erklärt Sonntag: Menschen neigen dazu, sich selbst weniger in der Verantwortung zu fühlen, wenn auch das Umfeld entspannter mit Regeln umgeht. Wir verhalten uns so, wie andere Menschen das auch tun. Eine soziologische Befragung, die seit März läuft, zeigt diesen Effekt auf, sagt Kittel: „Diejenigen, die eine geringe Gefahrenwahrnehmung haben, sind dann bereit, sich an die Maßnahmen zu halten, wenn das persönliche Umfeld sich daran hält. Je mehr Menschen im Umfeld sich an die Regeln halten, desto leichter ist es, sich selbst daran zu halten“.
Das Umfeld hält sich nicht mehr an die Regeln, man fühlt sich selbst auch von der Verantwortung befreit, und so kommt es zu Auswüchsen wie den sogenannten „Corona-Parties“.
(Bild: "Steirerkrone", krone.at-Grafik)
So kamen wir also in eine Negativspirale; die Regeln wurden eher zu Empfehlungen, die Achtsamkeit geringer. Hinzu kamen Kommunikationsprobleme, sagt Kittel: „Die Kommunikation der Regierung mit der Bevölkerung war sehr stark von oben herab geführt“. Und Sonntag gibt zu bedenken: Es wurde gleich im ersten Lockdown mit harten Regeln und strengen Strafen gearbeitet. „Man kann nicht an Tag eins mit der Maximaldrohung beginnen. Da tut man sich schwer, das nachher noch zu eskalieren. So wird das Ganze irgendwann unglaubwürdig“.
(Bild: EXPA/Florian Schroetter)
Was also tun? Wichtig wäre es, Automatismen einzubauen, sagt Sonntag: wenn die Inzidenz unter eine gewisse Zahl fällt, sollte es automatisch zu gewissen Lockerungen kommen. Das hätte eine motivierende Wirkung. „Diese harten Maßnahmen werden jedenfalls nicht mehr lange durchzuhalten sein“, so Sonntag weiter. Einig sind sich die Experten, dass es nun gutes Zureden braucht: „Wir müssen auf den letzten Metern noch einmal an das Soziale appellieren.“
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