Album „Shades I Mynth“

Mynth: Eigenständigkeit als Band-Philosophie

Musik
09.11.2020 06:00

Mit seinem dritten Album „Shades I Mynth“ bestreitet das Salzburger Electropop-Duo Mynth neue Wege, ohne die gewohnten Pfade ganz zu verlassen. Im „Krone“-Gespräch zeigen sich die Geschwister Giovanna und Mario Fartacek ungebrochen optimistisch, auch wenn das ihr Sound und die Weltlage nicht zuzulassen scheinen.

(Bild: kmm)

Als sich Österreich Anfang April mitten im ersten Corona-Lockdown befand, wusste noch niemand, wohin die Reise geht. Werden wir das Virus in ein paar Wochen überstanden haben? Kann es sich wirklich so extrem verbreiten? Tut die Auszeit nicht gerade gut und gibt uns Zeit zu reflektieren? Vor einem guten halben Jahr hätte noch keiner ahnen können, dass die Welt nicht und nicht aus dieser Spirale herausfinden würde, damals war die Hoffnung überbordend. Giovanna und Mario Fartacek, besser bekannt als Amadeus-veredeltes Electropop-Duo Mynth, haben sich zu der Zeit zuhause zusammengesetzt und die legendäre David Bowie-Hymne „Heroes“ gecovert. Ein akustisches Dankeschön an alle Menschen und die Welt im Allgemeinen. Zu einer Zeit, als Beifallklatschen für die Helden des Alltags noch ohne Zynismus begleitet wurde und man sich ob der drohenden Unsicherheit vorwiegend respekt- und verständnisvoll zueinander bewegte.

Musikalische Farbpsychologie
Es ist genau dieses Träumerisch-Tröstliche, dass die beiden gebürtigen Salzburger schon immer herausstechen ließ und in diesem Moment seine volle Wirkung entfachte. Diese besondere klangliche Magie zieht sich auch durch das Drittwerk „Shades I Mynth“, das die beiden Zwillinge dieser Tage veröffentlichten und das konzeptionell - Bandnomen est Omen - von der Farbe Grün getragen wird. „Ich habe mich viel mit Farbpsychologie beschäftigt“, verrät Sängerin Giovanna im Gespräch mit der „Krone“, „Mynth ist Minzgrün und mir kam dann die Idee, dass jeder Song auf dem neuen Album eine Grünschattierung haben sollte. ,Laurel‘ etwa ist eine Art von Grün, auch ,Paris‘ ist ein Grünton. Die Single ,Tulum‘ hingegen hat per se nichts mit der Farbe zurück, sondern geht zurück ins Jahr 2017, wo wir im sommerlichen Mexiko einen tollen Auftritt hatten. Als wir an dem Song arbeiteten, hatte ich sofort das grün-azurblaue Wasser vor mir.“ Nostalgie spielt bei Mynth eine entscheidende Rolle, schließlich sollen die hypnotisierenden Songs Bilder im Kopf entfachen.

Die beiden Zwillinge arbeiten sehr instinktiv und besprechen während des Songwritings niemals die Inhalte der Songs. „Ich verarbeite sehr viel in meinen Texten“, bekräftigt Giovanna, „lasse mich aber meist treiben und warte ab, was dann passiert. Ich realisiere oft erst am Ende, wenn schon alles fertig ist, was die Nummer überhaupt aussagt.“ Sich selbst zu überraschen und nicht alles vorzuplanen ist eine wichtige Grundprämisse für Mynth, die auf Einladung von Red Bull dieses Mal eine Woche in der Musikmetropole London waren und dort nicht nur arbeiten, sondern auch die Atmosphäre aufsaugen konnten. „Das österreichische Kulturforum hat dort Wohnungen, in denen wir übernachten durften. Wir hatten mit unseren Freunden und Bandmitgliedern Günther Paulitsch und Fabian Wintersteller eine tolle Zeit. An und für sich arbeiten wir immer zu zweit, aber dort ist ein Bandgefühl entstanden, das sich dauerhaft gefestigt hat.“ Trotz allem bleiben Mynth freilich von den beiden Geschwistern geprägt, das bewusste Ausscheren hat aber deutliche Spuren hinterlassen.

Langer Prozess
„Wir waren noch nie so streng mit uns selbst wie auf diesem Album“, rekapituliert Soundtüftler Mario Fartacek die fruchtbare Kompositionsphase, „wir wissen jetzt endgültig, wie wir funktionieren und dass wir auch unter erschwerten Umständen gut arbeiten können. Das Album stand eigentlich schon vor zwei Jahren, aber wir waren unzufrieden und haben dann noch einmal alles umgeworfen. Beim ersten Album war Giovanna gerade in Norwegen, beim zweiten in Berlin - jetzt waren wir beide gemeinsam in Wien und konnten richtig zusammenarbeiten.“ Erst mit der Single „Laurel“ klickte es in den Köpfen der Geschwister. Plötzlich hatten sie den Weg für das Album gefunden und alles hat sich gefügt. „Wir hatten noch nie zuvor so viele Songs geschrieben und wieder weggeschmissen. Es ging uns um die Fusion zwischen einem analogen Bandfeeling und dem kühleren, elektronischen Charakter. Die Gitarre ist stärker wahrnehmbar, könnte aber auch ein Synthesizer sein. Die Drums klingen echt, haben aber die Kantigkeit elektronischer Drums. Auf ,Laurel“ hat sich der Weg ergeben.“

Mehr denn je verweben sich auf “Shades I Mynth“ warme und kühle Momente zu einer ganz eigenen Klangtemperatur, die so nur aus den Köpfen und Fingern der beiden Fartaceks kommen kann. Für den Mainstream-Markt wird das dritte Werk zu schwelgerisch und zu wenig Hit-verdächtig sein, doch mit ihren Songs haben sich Mynth längst von den eng gefassten Indie-Fesseln befreit, um fernab aller Erwartungen musikalisch flügge zu werden. Dazu zählt auch die richtige Bildsprache, die sich durch die Videos von Langzeitpartner Rupert Höller präsentiert, den die beiden schon seit der Schulzeit kennen. “Wir geben ihm immer die Songs vorab zu hören und warten dann, welche Bilder bei ihm entstehen. ,Paris‘ etwa war für ihn lethargisch und träumerisch-schizophren. Allgemein ist es interessant zu sehen, was die Leute sich so bei unseren Songs denken und wie sie sie interpretieren.“ Bildlich haben Mynth eine gewisse David Lynch-Ästhetik, klanglich orientiert man sich an anderen großen Namen. “Bei Fleetwood Mac fasziniert mich die Produktion, an David Bowie schätze ich, dass er sich mit jedem Album neu erfunden hat und Kate Bush ist für Giovanna ein stimmliches Vorbild. Ihre Stimme wirkt zerbrechlich, aber sie ist es nicht.“

Positive Melancholie
Wo sich andere Künstler und Bands im elektronischen Bereich bewusst am 80er-Trend reiben, versuchen Mynth dieser “Falle“ bewusst aus dem Weg zu gehen. “Wir werden leider viel zu oft dort eingeordnet, obwohl wir überhaupt nicht so klingen. Wenn wir Songs schreiben hören wir bewusst wenig Musik, um nicht zu sehr unterbewusst inspiriert zu werden. Die eigene Handschrift hat immer Priorität.“ Das neue Album soll in Zeiten der Unsicherheit auch Hoffnung und Optimismus verbreiten, womit sich der Kreis zum “Heroes“-Cover vom vergangenen April wieder schließt. “Wir sorgen für eine Art positive Melancholie“, lacht Mario, „man sollte sich nach den Songs schon gestärkt fühlen und nicht erstarrt.“ Nur die Wenigsten wissen, dass Mynth als Kinder auf ganz anderen Pfaden unterwegs waren - die beiden bewarben sich einst für den “Kiddy Contest“. “Ich zerbreche fast vor Lachen, wenn ich daran zurückdenke, es hat am Ende aber leider nicht gereicht. Doch wer weiß, welche Musik wir heute machen würden, wenn wir den Bewerb gewonnen hätten."

Live in Österreich
Sollte es die Corona-Lage zulassen, haben Mynth 2021 ein paar exklusive Konzerte geplant. Am 19. Februar im Salzburger Rockhouse, am 25. Februar im Grazer Orpheum und am 26. Februar im WUK Wien. Alle weiteren Infos und Tickets gibt es unter www.mynthmusic.com.

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