20 Cent pro Flasche?

Aufregung um Öko-Quote für Einweg-Flaschen im Handel

Österreich
13.10.2010 18:32
Obwohl sich Österreich mit 60 Prozent Recycling-Quote seit kurzem als "Weltmeister" in Sachen Mülltrennung feiern darf, bereiten nach wie vor Wegwerfprodukte wie Einwegflasche, Tetra Pak und Aludose Kopfzerbrechen, während der Anteil der Mehrwegflaschen im Handel immer geringer wird. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Bundesländern, Sozialpartnern und Öko-Experten hat darum Modelle zur Abfallvermeidung erarbeitet - und sich mit der Idee einer "Öko-Quote" für Einweggebinde im Handel den Zorn der Wirtschaftskammer zugezogen.

Das Verhältnis von umweltfreundlichen Mehrwegflaschen aus Glas und Plastik zu den Einweggebinden, die zwar mehrheitlich recycelt werden, aber nach wie vor Müllberge produzieren, ist in den Lebensmittelregalen von einst 90:10 auf mittlerweile 20:80 gekippt. 

Auf Vorschlag der Landesumweltreferentenkonferenz war darum eine Arbeitsgruppe für neue Abfallvermeidungsstrategien einberufen worden. An ihr nahmen auch die Länder Wien, Salzburg, Oberösterreich und Steiermark teil, ein Vertreter des Umweltministeriums, Mitarbeiter von Arbeiter- und Landwirtschaftskammer sowie Experten der Wirtschaftsuni Wien und eines heimischen Ökologie-Instituts.

Als Vorschlag, wie man den Anteil der Mehrwegflaschen wieder anheben könnte, wurde ein Modell für eine "Öko-Quote" in den Lebensmittelgeschäften mit einem Bonus-Malus-System erarbeitet. Der Handel soll schrittweise den Anteil an Mehrweg-Gebinden wieder erhöhen. Wer die Quote nicht erreicht, zahlt in einen Topf ein, aus dem sich dann jene einen "Bonus" holen, die die Quote erreichen.

WKÖ ortet "Massensteuer" von 20 Cent pro Flasche
Die Wirtschaftskammer, die zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe eingeladen war, aber nicht mitmachen wollte, erhielt die Vorschläge zusammen mit den restlichen Sozialpartnern und Betroffenen vergangene Woche. Anstatt innerhalb der vorgeschlagenen Frist bis 19. Oktober Empfehlungen zu den Vorschlägen der Arbeitsgruppe abzugeben, antwortete die WKÖ mit einer Frontalattacke und schmetterte das Quoten-Modell via Presseaussendung als angeblichen Belastungsplan des Umweltministeriums an die Wand.

Petra Wieser von der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer sprach am Mittwoch von einem "Ökoschmäh". Man bezweifle den Lenkungseffekt in Richtung Mehrweg durch eine derartige "Steuer", die laut Wirtschaftskammer rund 20 Cent pro Einweg-Flasche umfassen würde. In Wirklichkeit würden mit dieser die Konsumenten bestraft, die lieber Einweggebinde kaufen.

Eine 0,5-Liter-Mineralwasserflasche, die derzeit inklusive Mehrwertsteuer 49 Cent koste, würde sich bei voller Verwirklichung des Modells auf 73 Cent verteuern, rechnete WKÖ-Umweltökonom Stephan Schwarzer in einer Presseaussendung vor. In Summe würden die heimischen Konsumenten mit 350 bis 670 Millionen Euro im Jahr belastet. Da dies praktisch jeden Österreicher träfe, handle es sich um eine "klassische Massensteuer".

Greenpeace und AK: Konsumenten nicht das Ziel
Stimmt nicht, kontern Arbeiterkammer und die in der Sache engagierte Umweltorganisation Greenpeace. Das Modell setze nicht bei den Konsumenten, sondern bei den Handelsketten an. Greenpeace verweist darauf, dass der Handel durch das Bonus-Malus-System dazu motiviert werde, mehr Mehrwegflaschen anzubieten bzw. von seinen Lieferanten die Bereitstellung solcher zu fordern. Beginnend mit 30 Prozent solle die Mehrweg-Quote im Handel stufenweise auf 50 Prozent erhöht werden. Als Zeitraum für die Umsetzung sieht der Vorschlag 2012 bis 2018 vor.

Aus Sicht von AK-Umweltexperte Werner Hochreiter kann keinesfalls von einer "Strafsteuer" gesprochen werden, der Handel könne die "realistischen" Quoten ohne Belastung der Konsumenten erreichen. Greenpeace sieht den Vorteil des Modells auch darin, dass klassische Handelsketten, die traditionell Mehrwegflaschen anbieten, belohnt würden, während Diskonter, wo mehrheitlich bzw. auschließlich Einweg verkauft wird, "endlich in die Pflicht genommen werden".

Den WKÖ-Argumenten, in Österreich seien die Transportwege für Glasflaschen im Schnitt länger als für Plastikflaschen und auch das Waschen der Glasflaschen verschlinge Energie, hält Greenpeace entgegen. Das Mehrwegsystem verbrauche insgesamt trotzdem deutlich weniger Energie als das Einwegsystem, zudem werde nur ein Bruchteil der Rohstoffe benötigt.

Ministerium: "Öko-Quote" nicht in Stein gemeißelt
Im Umweltministerium betonte man am Mittwoch, dass die Initiative von den Landesumweltreferenten ausgegangen war, vom Ressort aber freilich begrüßt werden. Die "Öko-Quote" sei derzeit in Diskussion und keineswegs in Stein gemeißelt sei, hieß es in Bezug auf die Kritik. Im Gegenteil: Der Input der Wirtschaft sei gefragt.

In Bezug auf neue Abfallvermeidungsstrategien hieß es, Mehrwegflaschen seien "durchaus eine Möglichkeit". "Wir stehen aber hinter der Wahlfreiheit. Der Konsument kann und soll selbst entscheiden", meinte eine Sprecherin von Minister Nikolaus Berlakovich in Bezug auf andere Vorschläge wie ein gänzliches Einweg-Verbot bzw. einen "Dosenpfand", wie es ihn in Deutschland gibt, den Berlakovich aber in der Vergangenheit ablehnte.

Genau mit dieser Wahlfreiheit sei es aber nicht mehr weit her, kritisiert die AK. Die derzeit geltende freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft habe dazu geführt, dass der einst bei über 90 Prozent liegende Mehrweganteil bei Getränken auf 20 Prozent gesunken sei. SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr sieht angesichts dieser "katastrophalen Entwicklung" "dringenden Handlungsbedarf".

Aufwand für Getränkeindustrie zu groß?
Für die Getränkeindustrie sieht Ottakringer-Chef Sigi Menz - übrigens auch Vorsitzender des Umweltpolitischen Ausschusses der Industriellenvereinigung - Feuer am Dach. Das vorgeschlagene System wäre mit einem "enormen logistischen, technischen und letztlich finanziellen Aufwand verbunden", warnte er.

Ganz anders sieht das die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner: Getränkeabfüller hätten deutlich geringere Ausgaben, wenn sie weniger Flaschen einkaufen müssen. Vor allem die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe hätten bei Mehrweg mehr Chancen gegen weit gereiste Getränke von Großabfüllern.

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