Fake News, Internet-Trolle und die Frage, was man glauben kann und was nicht, begleiten uns spätestens, seit es soziale Medien gibt. Spätestens seit dem US-amerikanischen Wahlkampf 2016 ist klar, dass dahinter System steckt - dass nicht nur einzelne Personen Abstruses verbreiten, sondern dass Desinformation auf staatlicher Ebene strategisch eingesetzt wird, um eigene Interessen durchzusetzen und anderen Staaten zu schaden. Wie das funktioniert, warum das auch für Österreich ein Risiko darstellt und wie Staaten sich wehren können, erklären Christoph Bilban von der Landesverteidigungsakademie und Michael Zinkanell vom Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik bei „Moment Mal“ im Gespräch mit Damita Pressl.
Die Intensität der Falschinformationen aus China und Russland, die während der Pandemie an westliche Staaten weitergegeben wird, ist extrem hoch, bestätigt der Geopolitik-Forscher Michael Zinkanell. Zu diesem Schluss kommt auch die Europäische Union, die das Phänomen bereits seit Längerem beklagt, dann aber doch nicht den Mut hat, sich den Versuchen der Sprachregelung etwa aus China zu widersetzen. Es werden hier irreführende Geschichten so gesponnen, dass sie dem jeweiligen Urheberstaat nutzen. Am Ende steht meist die Absicht, politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Schaden anzurichten, erklärt Zinkanell. Die Trennlinie zu medialer Berichterstattung sei oft eine feine, so Christoph Bilban von der Landesverteidigungsakademie: „Hier verschieben autoritäre Staaten gern die Grenze, sodass sie nicht mehr mit westlichen Wertesystemen zusammenpasst.“
Westliche Sicherheitskräfte versuchen dann, nachzuverfolgen, wo einzelne Nachrichten zum ersten Mal auftauchen, erklärt Bilban. Oft sei Desinformation auf Medien wie Russia Today oder Sputnik zurückzuführen, sagt er. Wenn die Quelle nicht auffindbar ist, lassen oft systematisch wiederkehrende Argumentationsmuster oder Sprachmuster auf mögliche Manipulationsversuche schließen. Westliche Staaten würden hier mit strategischer Kommunikation versuchen, gegenzusteuern, räumt Bilban ein: Es sei ein „Kampf der Narrative“. Die letzte sicherheitspolitische Jahresvorschau zeige, dass Desinformation als Teil hybrider Maßnahmen ein Bedrohungsweg ist, der auch Österreich trifft.
Der Schaden, den diese Narrative anrichten können, ist groß. „Desinformation kann Menschenleben kosten“, gibt Zinkanell zu bedenken und führt als Beispiel etwa die Aussage von US-Präsident Donald Trump an, Bleichmittelinjektionen könnten Coronaviren stoppen. Desinformationskampagnen suggerieren am Ende nämlich, dass „keine Information zu hundert Prozent valide ist. Jede Information ist offen für Interpretation“. Ziel der Akteure ist laut Bilban die Positionierung des eigenen Staats: Es soll jenes Bild von Staaten vermittelt werden, dass ihnen selbst am besten passt. Gerade Russland sei das sehr wichtig, so Bilban. Hier solle das Bild eines „verlässlichen Partners“ gezeichnet werden.
In einem Vakuum schlagen diese Angriffe allerdings nicht ein, so Bilban. Desinformation destabilisiere demnach nicht alleine, sondern nutze bestehende Schwächen in Systemen. Das bestätigt auch Zinkanell: Akteure suchen sich demnach Themen, zu denen sehr extreme Meinungen vorherrschen, „um bestehende Konflikte weiter zu erhitzen“. Finden die Urheber dieser Geschichten in den Zielgesellschaften genügend solcher kleiner wunder Punkte, so wird der Gesamtschaden groß. Was also tun? Bilban sieht kritischen Journalismus als Lösung: „Wir müssen die Mitte der Gesellschaft erhalten.“ Zinkanell wünscht sich mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und Sicherheitsstandards im Internet, „damit wird nicht mit einem Auto ohne Gurt fahren, ohne zu wissen, wer es lenkt“.
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