Sebastian Manhart

„Größte Herausforderung, die es je gegeben hat“

Vorarlberg
21.06.2020 15:45

Olympiazentrum Vorarlberg-Geschäftsführer Sebastian Manhart im groen „Krone“-Interview über die Rückkehr zur Normalität, wirtschaftliche Folgen der Krise, die Chance auf Olympia 2021 und die Problematik eines Perspektivenverlust im Nachwuchssport.

Herr Manhart, langsam kehrt eine Art Normalität in unseren Alltag zurück. Gilt das auch für das Olympiazentrum (OZ) Vorarlberg?

Was die Betreuung der Spitzenathleten angeht, sind wir fast wieder dort, wo wir vor dem Lockdown waren. Natürlich gibt es noch Einschränkungen - etwa, wenn es darum geht wie viele Sportler gleichzeitig in den Kraftraum dürfen. Im Bereich des Breiten- und Vereinssports sind wir aber noch ganz weit weg von der Normalität. Worauf wir hoffen ist, dass es im Trainingslagerbetrieb in diesem Sommer eine gewisse Normalität gibt - da schaut es Stand jetzt gut aus, die Camps sollten wie geplant stattfinden.

Wie sieht es mit den wirtschaftlichen Folgen im OZ aus? Ist der Schaden groß?

Wir haben definitiv einen massiven Einbruch der Erlöse. Einerseits weil eine Hallennutzung nicht möglich war andererseits, weil der ganze Hotelbetrieb gestanden ist. Heißt: Wir rechnen - Stand letzter Woche - mit einem Erlösrückgang von 270.000 bis 300.000 Euro, das entspricht knapp 30 Prozent unserer eigenen Einnahmen für das laufende Geschäftsjahr. Wir können einen Teil dadurch abfedern, dass auch bei uns Bereiche in Kurzarbeit waren. Wir haben auch verschiedene Anträge auf Entschädigung und Unterstützung gestellt, wo wir darauf warten, ob wir hier etwas bekommen.

Sind langfristige Folgen für den Sport schon absehbar?

Nur schwer. In den Wintersportarten war die Saison schon fast vorbei, womit der finanzielle Schaden aus diesem Bereich relativ überschaubar ist. In den Sommersportarten hat man sich durch den Ausfall von Trainingslagern und Wettkämpfen auch einiges an Aufwand gespart. Darum hoffe ich auch in diesem Bereich in dieser Saison auf ein „hellblaues“ Auge. Die große Sorge ist aber, wie es mit der generellen Finanzierbarkeit des Sports über die nächsten zwei bis drei Jahre ausschaut. Wenn es dort zu massiven Einschnitten bei Verbänden und Vereinen kommt, wird es auch für uns schwieriger. Sollte der Sport in den nächsten zwei, drei Jahren gut über die Runden kommen, dann ist unser Problem relativ überschaubar, wenn nicht…

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Leidet die Vereinslandschaft massiv , wird im Nachgang auch die gesellschaftliche Entwicklung massiv leiden.

Olympiazentrum Vorarlberg-Geschäftsführer Sebasian Manhart

Wie sehen Sie die Situation des Sports - auch aus gesellschaftspolitischer Sicht?

Ich glaube, der organisierte Sport steht vor der größten Herausforderung, die es jemals gegeben hat. Wenn die Sportvereine leiden, fehlt sehr viel an gesellschaftlichem Zusammenhalt. Da fehlt sehr viel, das in einem Nachwuchstraining abseits der sportlichen Kompetenzen vermittelt wird: etwa Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz. Leidet die Vereinslandschaft massiv, wird im Nachgang auch die gesellschaftliche Entwicklung massiv leiden.

Thema Perspektiven: Ist es aus ihrer Sicht realistisch, dass Olympia in Tokio 2021 stattfinden kann?

Die große Frage ist, wie sich das internationale Infektionsgeschehen entwickelt. Ich sehe die Wahrscheinlichkeit, dass die Spiele wie derzeit geplant stattfinden, aber bei deutlich mehr als 50 Prozent. Darauf müssen sich auch die Sportler einstellen und ihre Planung so ausrichten. Fehlende Perspektiven sind aber im Nachwuchsbereich eine ganze andere Sache und dramatisch schwierig. Wenn ich als 16-, 17-Jähriger meinen Hauptwettkampf bei einer U18-ÖM habe und der findet dann nicht statt, fällt diese Perspektive plötzlich weg. Da gehen dann Leute verloren, du kämpfst mit Motivationsproblemen, hast eine Orientierungslosigkeit.

Sind in der jetzigen Situation in Vorarlberg schon junge Sportler verloren gegangen?

Zum Glück nicht. In der Arbeit mit dem Sportgymnasium Dornbirn haben wir aber gemerkt, dass öfter Fragen kommen wie: „Wofür mache ich das?“, „Bringt es überhaupt etwas, wenn ich jetzt trainiere?“ Das hat natürlich auch mit der Persönlichkeit der Sportler zu tun. Wenn du aber in dieser Phase Antworten darauf findest, spricht es dafür, dass die Athleten eine Persönlichkeitsstruktur mitbringen, die ohnehin die höhere Aussicht auf Erfolge hat.

Rückblick: Was würden Sie rund um den Lockdown wieder so machen, was anders?

Wir hatten schon vor der Corona-Krise einen hohen Hygienestandard und waren auch IT-technisch für das Thema Home-Office gut gerüstet. Natürlich hätten wir bei der Besorgung von Masken und Desinfektionsmittel noch früher dran sein können. Am Endergebnis hätte das aber nichts geändert. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob es alle Regelungen und Maßnahmen in dieser Schärfe gebraucht hätte. Das ist im Nachgang allerdings ein Ratespiel.

Wenn Sie als begeisterter Bergtourengeher die ganze Situation mit einer Wanderung vergleichen: Wüssten Sie, wo am Berg Sie gerade sind?

Nein! Womit wir alle zurechtkommen müssen ist, dass keiner eine längerfristige Planbarkeit hat. Wir müssen alle miteinander sehr kurzfristig auf Veränderungen reagieren. Um auf die Frage zurückzukommen: Es wäre schön, wenn wir nur mehr zehn Höhenmeter bis zum Gipfel hätten - es kann aber genauso gut sein, dass es bis dorthin noch 1000 Höhenmeter sind.

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