Ausufernde Armut

Jedes vierte Kind in Wien laut Grüner Studie betroffen

Wien
15.08.2010 13:09
In Wien lebt jedes vierte Kind in Armut oder ist zumindest armutsgefährdet. Zu diesem Ergebnis kommt der "Armuts- und Reichtumsbericht", den die Grünen für die Bundeshauptstadt erstellt haben. Laut dem mehr als 100-seitigen Werk sind 91.000 oder 24 Prozent der Kinder davon betroffen, österreichweit betrage die Gefährdungsquote nur 14 Prozent.

"Drei von zehn Minderjährigen leben in einem Haushalt, der Sozialhilfe bezieht", kritisierte der nicht amtsführende Stadtrat David Ellensohn. Ziel der Grünen ist die Halbierung der Kinderarmut bis 2015 und die Einführung einer "Kinder-Aktivcard".

Der Bericht der Grünen fuße auf unterschiedlichen Statistiken. Eingeflossen seien Daten des Magistrats, von EU-SILC (Statistics on Income and Living Conditions) oder Unicef, so Ellensohn. Ausgewertet wurden die Zahlenkolonnen von der Partei selbst. Demnach seien in etwa 200.000 Wiener Erwachsene - vorrangig allein erziehende Frauen, Pensionisten und Migranten - mit manifester Armut konfrontiert.

Schulstartpaket im Wert von 1.000 Euro gefordert
Was die Kinderarmut betrifft, sei bei deren Bekämpfung der Ausbau von Schulen und Kindergärten bzw. die Verbesserung des Betreuungsschlüssels von zentraler Wichtigkeit. Damit ließe sich die Situation nachhaltig verbessern, ist Ellensohn überzeugt. Schließlich korreliere der Bildungsgrad in weiterer Folge auch mit dem künftigen individuellen Wohlstand. Ansonsten würde man sich mitunter eine Ober-bzw. Unterschicht zimmern.

Der Sozialsprecher fordert zudem ein 1.000 Euro schweres Schulstartpakt für jeden Schüler und die Einführung einer "Aktivcard" für Kinder. Mit dieser sollten junge Wiener aus bedürftigen Familien kostenlosen Zugang zu diversen Angeboten - von Sport über Theaterbesuche bis hin zum Musikunterricht - bekommen. So könnten auch Kids, deren Eltern keine pralle Geldbörse hätten, ihre Talente entfalten, meint Ellensohn.

Stadtrat ortet "Ghettos für die Reichen"
Mit Verweis auf die Einkommensunterschiede in den einzelnen Bezirken warnt der nicht amtsführende Stadtrat vor "Ghettos für die Reichen". So verdient ein Bewohner des 15. Bezirks laut Bericht nur 80 Prozent des Wiener Durchschnittsgehalts - Tendenz fallend -, während ein Hietzinger auf 135 Prozent kommt, wobei hier der Pfeil nach oben zeigt. Die Innenstadt liege hier noch deutlich darüber, sei aber zugegebenermaßen nicht vergleichbar, räumt Ellensohn ein. Es benötige mehr Sozialarbeit in den einzelnen Grätzeln und forcierte Strategien im sozialen Wohnbau.

Die Wohnkosten sind den Grünen dabei ebenfalls ein Dorn im Auge. So müsse eine finanzschwache Familie mehr als 40 Prozent ihres Haushaltsbudgets für Mieten, Betriebskosten, Energie usw. auf die Seite legen (Wien-Durchschnitt: 23 Prozent). Hier brauche es Mietzinsobergrenzen. Zudem könne es nicht sein, dass im Jahr 2009 allein 300 Kinder aus Gemeindebauwohnungen delogiert worden seien, ärgert sich Ellensohn über das Rote Wien.

Die bereits im Februar angekündigte und nun vorliegende Studie mit der laut Sozialsprecher daraus ersichtlichen "ungünstigen Zahlenentwicklung" soll nach Wunsch der Oppositionspartei nun als Grundlage für weitere Schritte dienen. Anders als Kärnten, Niederösterreich und Tirol, wo bereits ein Armutsbericht erarbeitet worden sei, lehne die Stadt einen solchen weiterhin ab.

SP verweist auf Geleistetes
Die Wiener SPÖ zeigte sich am Sonntag unbeeindruckt von der Kritik der Grünen in Sachen Armutsbekämpfung. Für die Stadt sei Armutsbekämpfung ein zentrales Anliegen, erklärte SP-Gemeinderat Kurt Wagner. Einen besonders hohen Stellenwert nehme dabei der Kampf gegen die Kinderarmut ein.

Wagner verwies auf Maßnahmen in allen Rathaus-Ressorts, etwa den Mobilpass, das niedrige Mietniveau in den Gemeindebauten, Arbeitsmarkt- und Schuldnerprogramme oder den Gratiskindergarten. Öffentliche Dienstleistungen seien für die soziale Lage der unteren Einkommensgruppen noch wesentlich wichtiger, als reine Geldtransfers, stellte er fest.

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