Interview

„Rollen für Ältere werden gestrichen“

Vorarlberg
11.05.2020 12:00

Die Coronakrise hat in der Filmbranche für absolute Lähmung gesorgt - und wird spätestens im Herbst für absolutes Chaos sorgen. Mittendrin: der Vorarlberger Schauspieler Stefan Emanuel Pohl.

Eigentlich sollte Pohl gerade drehen, doch nun stehen die Kameras seit Wochen still. Im Interview spricht Pohl über Angstmache und menschenunwürdige Reaktionen auf die Krise in der Branche. Und darüber, wieso er mit seiner Familie das ganze Jahr Ostern feiern kann.

Wie ist es Dir bisher in der Coronakrise ergangen?

Ich erlebe ein Wechselbad von Ent- und Anspannung. Ich weiß ja nicht, wie es weitergehen wird. Das letzte Filmprojekt musste nach wenigen Drehtagen in Wien abgebrochen werden. Es hieß dann, ich soll heimfahren. Es war etwas gespenstisch: Die Autobahnen waren leergefegt und einen Tag später hätte ich die Grenzen auch nicht mehr passieren dürfen.

Wie kann in Zukunft überhaupt gedreht werden? An einem Filmset sind immer sehr viele Menschen zusammen, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen.

Es gibt eine Filmcrew, die dreht bereits wieder - und zwar „Sturm der Liebe“. Da sind immer nur wenige Leute am Set, die Schauspieler müssen sich selbst schminken - nach Anweisung der Maskenbildnerin. Und nie sind Menschen aus unterschiedlichen Departments - also etwa Licht, Ton, Maske, Requisite - zur gleichen Zeit am Set. Beim Drehen geht eigentlich alles Hand in Hand. Wenn das Set geräumt werden muss, weil eine neue Lampe gebraucht wird oder ein anderes Requisit, bedeutet das, dass es einfach viel mehr Zeit als bisher brauchen wird - und damit teurer wird. Fragt sich: Wer soll das finanzieren? Darüber hinaus ist immer noch unklar, wer haftet, wenn es dann tatsächlich einen Corona-Fall am Set gibt. Denn bisher ist es so geregelt, dass die Versicherung zwar zahlt, sollte sich jemand das Bein brechen, im Pandemiefall wird aber die Filmausfallhaftung nicht übernommen. Derzeit gibt es Gespräche mit der Bundesregierung, aber dort spielen alle ständig den Ball weiter. Man hat das Gefühl, dass die Wertschätzung für Kunst und Kultur fehlt.

Inwiefern?

Was hat den Menschen über die Wochen der Isolation geholfen? Filme, Serien, Bücher, Radio - Kultur eben. Es macht mich wahnsinnig und traurig zugleich, wenn Menschen meinen, dass man „zu viel Geld hat“, wenn Künstler unterstützt werden, gleichzeitig schauen aber die selben Menschen stundenlang Serien und Filme auf Netflix.

Apropos Filme und Serien - wird man Projekten in Zukunft die Coronakrise anmerken?

Ich bin mir sicher, dass man Filmen genau ansehen wird können, dass sie in der Coronazeit produziert wurden, denn es wird keine Küsse mehr geben, keine körperliche Annäherung. Was aber viel schlimmer ist: Es verdichten sich die Gerüchte, dass die Filmbranche nun Rollen für ältere Menschen aus den Drehbüchern streicht. Das ist wirklich Wahnsinn. Gerade als Schauspieler kann man bis ins hohe Alter arbeiten. Und dann beginnt man, die Älteren, also die Risikogruppe, rauszuschreiben, damit man das Risiko „minimiert“, dass es zu einem Filmausfall kommt. Eine deutsche Kollegin hat dieses Verhalten bereits in einem offenen Brief harsch kritisiert. Offensichtlich wird auch darüber nachgedacht, nur Leute ins Team zu holen, die bereits immun gegen Covid-19 sind. Da hätte jetzt beispielsweise Tom Hanks gut Karten.

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Es ist doch eine fragwürdige Art, Menschen gezielt einzuschüchtern. Ein Volk, das Angst hat, ist eben leichter zu regieren.

Stefan Pohl

Mit Menschenwürde hat das nicht mehr viel zu tun.

Nein. Eine andere Sache, die ich menschlich auch nicht in Ordnung finde, ist, wie man hierzulande Angst als Mittel zur Bewusstseinsschärfung für die Krankheit genutzt hat. Es ist doch eine fragwürdige Art, Menschen gezielt einzuschüchtern. Ein Volk, das Angst hat, ist eben leichter zu regieren. Man hatte ja schon das Gefühl, dass man einen Menschen umbringt, wenn man einmal nicht mit Maske einkaufen gegangen ist. Ich finde, dass Angstmache nicht der richtige Weg ist.

Vor Wochen wurden alle Filmprojekte abgesagt beziehungsweise abgebrochen. Wird es im Herbst nicht zu einem gewaltigen Projektstau kommen?

Es wird definitiv zu großen Terminkollisionen kommen, wenn wieder gedreht werden darf. Weil dann alle ihre Teams zusammenstellen - und sich niemand aufteilen kann. Bei mir wären es im Herbst schon drei Produktionen, an denen ich mitwirken sollte. In einer der Rollen sollte ich einen Bart tragen, in der zweiten rasiert sein, in der dritten zehn Jahre jünger aussehen. Da kann man nur hoffen, dass die einzelnen Produktionsfirmen zusammenarbeiten, denn sonst wird das schon rein logistisch nicht funktionieren. Auch das Equipment könnte knapp werden, wenn alle gleichzeitig zu drehen beginnen. Aber ich kann die Dinge - wie alle in der Branche - nur auf mich zukommen lassen, denn bis jetzt heißt es zu Drehstarts immer nur „vielleicht“. Erst muss noch einiges geklärt werden.

Wie läuft die finanzielle Unterstützung des Staates für Filmschaffende?

Bei mir hat die erste Unterstützung geklappt, aber ich kenne viele, die aufgrund der immer nur kurzen Anstellungsverhältnisse beim Film nicht die nötigen Voraussetzungen aufweisen können und jetzt einfach durch die Finger schauen.

Wie wird sich die Coronakrise insgesamt auf die Kino- und Filmwelt auswirken?

Auf der ganzen Welt wird es einen Projektrückstau geben, auch in Hollywood. Viele Filme sind auch schon fertig, kommen nun aber nicht in die Kinos. Selbst wenn ein Film dann gestreamt werden kann: Es ist doch traurig, einen Film, der für die große Kinoleinwand gemacht ist, daheim am Laptop ansehen zu müssen.

Was hast Du in dieser Zwangspause nun gemacht?

Ich habe mein Schauspieler-Profil im Netz bearbeitet, Drehbücher gelesen, habe eine neue Garderobe und Badezimmermöbel gezimmert und mit meinen beiden Kindern eine Hausband gegründet. Wir nehmen auch gerade ein Hörspiel gemeinsam auf. Darüber hinaus halten mich unsere sieben Sulmtaler Hühner auf Trab. Zwei davon reißen gerne aus und der Rest legt die Eier niemals im Stall, sondern irgendwo rund ums Haus. So haben wir das ganze Jahr Ostern.

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