Reportage

Pflegemutter: Steirerin ist „Mama“ von 27 Kindern

Steiermark
10.12.2019 10:00

Helene Scharmer und Willi Pachernik aus dem steirischen Arnfels sind Pflegeeltern. 27 Kinder haben sie seit 1991 aufgenommen und großgezogen. Jene, die heute erwachsen sind, kommen immer wieder zurück. Auf Besuch hat die „Krone“ mit den Pflegeeltern über Familie, Glück und schwere Zeiten gesprochen.

„Hier wohnen Helene, Willi und Co.“ steht am Türschild des Hauses in Arnfels – für alle, die hier wohnen und gewohnt haben, ist ein Türschild natürlich zu klein. Kinder und Kindeskinder lachen von den Wänden, in der Küche wartet ein mit Schokolade glacierter Guglhupf. Hier fühlt sich jeder willkommen und wohl.

Es gibt manche Menschen, die scheinen besonders viel Liebe zu geben. Helene Scharmer und Willi Pachernik sind zwei dieser Menschen. Sie, die Frau mit dem heiseren, warmen Lachen über das ganze Gesicht, die immer einen Schmäh parat hat. Er, der ruhige und stille, nicht weniger warmherzige Mann an ihrer Seite.

Seit 1991, damals war Scharmer vierzig Jahre alt, hat das Paar über kurz oder lang unglaubliche 27 Pflegekinder bei sich aufgenommen. Selbst hatten sie keine Kinder bekommen. Adoption war für die beiden nie eine Option, weil sie die Auflagen dafür nicht erfüllten – sie waren nämlich nie verheiratet. Bis heute nicht. „Vielleicht sind wir deswegen schon so lange zusammen“, sagt Scharmer und lacht in Richtung Pachernik.

Bekannte brachten das Paar auf die Idee
Kinder wollte das Paar schließlich doch haben. Die Idee zur Pflegeelternschaft kam ihnen durch Bekannte. Ein sechsjähriges Mädchen und ein vierjähriger Bub zogen als erste Dauerpflegekinder bei dem Paar ein. Und dann ging es schnell.

Kurz danach wohnten fünf Kinder bei Helene und Willi. Und ein Hund und eine Katze. Aus dem begehbaren Kleiderschrank im geplanten neuen Haus wurde ein weiteres Zimmer. Kurzum: Es war immer viel los im Hause Scharmer/Pachernik.

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Man muss einfach auf jedes Kind eingehen. Was auf das eine passt, passt auf das andere gar nicht. Geduld muss man haben!

Pfelgemutter Helene Scharmer

Was man so lernt in 28 Jahren als Pflegemutter? „Jedes Kind ist anders, egal, ob aus der gleichen Familie oder einer anderen. Es braucht einfach ein Gespür, gute Nerven und ein offenes Haus“, erzählt die heute 68-Jährige. Manche erwachsenen Kinder haben heute selbst leibliche oder Pflegekinder – und kommen noch immer gerne nach Hause.

Von Helene und Willi zu Mutter und Vater
Doch es gab auch harte Zeiten. Am Anfang müssen sich die Kinder eingewöhnen und ihren Platz finden. Das gehört zu den größten Herausforderungen. „Die Kinder haben drei Möglichkeiten. Sie können sagen: Helene und Willi, Onkel und Tante oder Oma und Opa“, erklärt Scharmer. Doch meistens dauert es nicht lang, bis sich die Neuen eingelebt haben. Dann werden aus Helene und Willi Mama und Papa. Die Familie ist wieder einmal vergrößert.

Nicht wenige sind traumatisiert, wenn sie zu Helene und Willi kommen. Hört man die Geschichten, die die beiden erzählen – von Kindern, die in Graz stehlen mussten, um nicht zu hungern, von Kindern, deren Eltern mit ihnen in den Krieg gezogen sind – schmerzt das. Doch die jungen Mädchen und Burschen, ist Scharmer überzeugt, sind niemals das Problem. „Man muss einfach schauen, dass die Kinder Sicherheit haben. Dann wird es in der Schule und überall sonst besser.“

Umgang mit den Eltern ist oft am schwersten
Weniger leicht ist die Sache mit den leiblichen Eltern. „Das ist viel schwieriger als mit den Kindern“, erzählt Scharmer. Von einer Mutter bekam sie sogar Morddrohungen. Aber auch hier ist sie sicher: Es braucht Geduld. „Das Härteste ist oft, dass man niemanden schon vorher verurteilt. Wenn du weißt, was sie alles gemacht haben.“

Eltern sind oft nicht bei Treffen aufgetaucht. „Die Kinder haben gewartet und gewartet, und gekommen ist niemand. Sie waren dann enttäuscht“, erzählt Pachernik. „Das war sehr hart anzusehen“, gibt Scharmer zu.

Wieso also tun sie sich das alles an? „Wir wollen, dass es den Kindern gut geht. Sie sind gerne bei uns. Sie haben hier alles, es fehlt ihnen an nichts“, ist sich Pachernik sicher. Derzeit wohnen fünf Teenager bei Scharmer und Pachernik – drei eigene Pflegekinder und zwei Pflegesöhne der erwachsenen Tochter, die ebenfalls im Haus lebt. Ein betagter Hund, eine Babykatze. Ein volles Haus.

Vieles hat sich verändert, seit die ersten Kinder eingezogen sind. Vor allem die Technik und Computerspiele machen den beiden zu schaffen.

Aber was ist gleich geblieben? Helene Scharmer, die sonst jede Antwort gleich parat hat, überlegt lange. „Dass sie gerne da sind, die Kinder. Alle, die einmal gekommen sind, sind nicht mehr gegangen.“

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