Raubüberfälle oder sozialer Abstieg - das sind die negativen Folgen des „kleinen Glücksspiels“. Und Novomatic sagt: „Bei uns gibt es kein anonymes Spiel, Prozesse betreffen die alte Rechtslage.“
Räuber, die eine Tankstelle, Trafik oder Bank überfallen und oft mit wenigen Hundert Euro flüchten, nennen bei ihren Strafprozessen oft Spielsucht als Motiv. Laut Angaben der Wiener Polizei sind gar 98 Prozent aller Bankräuber pathologische Spieler. Das „kleine Glücksspiel“ - die restriktiven Bestimmungen dafür sollten möglicherweise durch Politintervention gelockert werden - klingt nett und harmlos, ist es aber nicht. Menschen, die bei Automaten Hunderttausende Euro verlieren, stürzen sich und ihr gesamtes soziales Umfeld ins Unglück. Entweder werden die Spieler kriminell oder sie versuchen ihr Geld durch Klagen wiederzubekommen.
Seit Jahren sind die Gerichte mit Prozessen gegen Novomatic und seine Tochterfirmen beschäftigt. Erst kürzlich wurden einem krankhaften Spieler mehr als 300.000 Euro zugesprochen. Doch der Weg zu solchen Erfolgen ist weit. Größtes Problem: den Nachweis zu erbringen, dass man geborgtes Geld tatsächlich ins Automatencasino getragen und nicht anderweitig verwendet hat. „Abhebungen in unmittelbarer Nähe von Spielcasinos sind ein wichtiges Indiz“, erklärt Anwalt Peter Ozlberger.
Grenzen bei Maximalgewinn nicht eingehalten
Er hat zuletzt einen großen Erfolg verbuchen können. In einem Urteil bestätigt das Oberlandesgericht Wien, dass die vom Gesetzgeber eingezogene Grenze von 20 Euro maximalem Gewinn bei Geräten des Novomatic-Konzerns oft nicht eingehalten wurde. Durch das Zuschalten sogenannter Action-Games sei ein größerer Gewinn möglich gewesen. Was natürlich den Anreiz beim Spiel erhöht.
Novomatic: „Rechtslage hat sich sehr geändert“
Anfang 2015 wurde das „kleine Glücksspiel“ in Wien verboten. Novomatic und seine Tochterfirmen sind jetzt in fünf Bundesländern tätig. Das „kleine Glücksspiel“ ist schließlich Landessache. Bernhard Krumpel, Pressesprecher von Novomatic, betont: Bei uns gibt es kein anonymes Spiel. Nur nach Registrierung ist ein Zutritt zu unseren Casinos möglich. Ein totales Verbot des „kleinen Glücksspiels“ hielte er für falsch: „Man würde Spieler in die Illegalität treiben. Die laufenden Prozesse betreffen Themen der Vergangenheit. Die Rechtslage hat sich sehr geändert.“
Spieler: „Ich habe jeden Bezug zu Geld verloren“
Er hat alles verloren - Klaus H. (50), einst gut verdienender Landmaschinen-Verkäufer aus Wien-Donaustadt, hat eigenen Angaben nach 1,3 Millionen Euro in Wiener Automatencasinos verspielt. Die Gesetzesänderung, durch die die Spielhallen Anfang 2015 in Wien gesperrt worden sind, kam für ihn zu spät. 2002 hat er erstmals bei einem „einarmigen Banditen“ sein Glück versucht, heute steht er vor den Trümmern seiner Existenz. Denn das Geld, das er verspielte, beschaffte er sich mit allerlei Tricks bei Bekannten. Und auch bei seinem früheren Arbeitgeber, was ihm zwei Verurteilungen und ein Jahr mit einer Fußfessel einbrachte.
Fast täglich, manchmal bis zu zehn Stunden lang, saß er vor den Automaten. „Ich habe jeden Bezug zu Geld verloren“, sagt er. Eine Klage gegen Novomatic hatte in erster Instanz Erfolg. Wegen einer vom Gutachter diagnostizierten Spielsucht sprach ihm der Richter 430.000 Euro zu. Doch das Oberlandesgericht wies die Forderung letztlich ab. Begründung: Die Höhe der Verluste und die Intensität des Spiels seien nicht nachvollziehbar.
Aber Klaus H. gibt nicht auf. Schon bald werde er seine Geschichte mit allen Details seines neunjährigen Kampfes um Entschädigung präsentieren, sagt er. Er will weiterkämpfen. „Wenn ich Prozesse gewinne, ist das Geld nicht für mich, sondern für meine Gläubiger“, sagt er.
Daten und Fakten
Der Markt für Glücksspiel und Sportwetten wächst immer mehr. Die Einsätze betragen inzwischen knapp 20 Milliarden Euro. 42 Prozent der Bevölkerung sind an Glücksspielen beteiligt, die meisten nutzen Lotterieprodukte wie 6 aus 45. Knapp zwei Prozent der Bevölkerung gehen auch in Spiel- oder Automatencasinos.
90 Prozent sind Männer, 85 Prozent sind unter 30 Jahre alt, 50 Prozent sind Alkoholiker oder haben eine Depression. Gerade Automatenspieler haben ein überdurchschnittlich hohes Suchtrisiko. Nicht alle Krankenkassen erkennen pathologisches Spiel als Krankheit an und zahlen die Behandlungskosten. Immer mehr verlagert sich die Szene inzwischen ins Internet. Hier werden auch sehr viele Sportwetten angeboten.
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