Formel 1 in Spielberg

Valerie Fritsch: Karacho, Tempo und ein Affenzahn

Formel 1
28.06.2019 21:30

Valerie Fritsch ist preisgekrönte Schriftstellerin, Reisende sowie Foto-Künstlerin und wurde mit dem Roman „Winters Garten“ (Suhrkamp-Verlag) bekannt. Hier schreibt sie über die Geschwindigkeit der Formel 1 und die damit einhergehenden Herausforderungen für Fahrer und Zuschauer.

Ich mag es, wenn es hoch hergeht, die Strategie des Extremen, den Wind im Haar der schnellen Dinge. Der Mensch liebt ja den Rausch, hat eine Schwäche für rasante Rasereien und beherzte Beschleunigungen, besitzt eine Leidenschaft für die reine Form der Geschwindigkeit, überholt lieber einmal zu viel als einmal zu wenig, denn der Schnellste zu sein ist ein Grundbedürfnis, und nur in den seltensten und persönlichsten Fällen eine Urangst.

Die Zeit austricksen, der Welt vorauslaufen
Die wilde kurvige Form, der unordentliche Kreis der Rennstrecke mit seinen Unregelmäßigkeiten und Ausschlägen ist die Geometrie der Geschwindigkeit. Das Karacho selbst ein Zaubermittel, eine List, zu der man seit Menschengedenken greift, um sich dem Unmöglichen zu stellen, um sich unbescheiden daran zu versuchen die Zeit auszutricksen, und der Welt vorauszulaufen, als hätte man dann mehr von ihr.

Der Wettbewerb um dieses Mehr war mir immer schon sympathisch. Dass das Renngewerbe überdies eine interaktive Herausforderung für Publikum und Teilnehmer ist, finde ich dabei ausgesprochen fair, denn es geht um Sehen und Gesehenwerden, und das ist nicht immer einfach.

In der Formel 1, habe ich festgestellt, müssen nämlich nicht nur die Fahrer geschwind sein, sondern auch die Zuschauer, denn wer zu langsam auf die Vorübersausenden schaut, die winzige Sekunde am Ring versäumt, in der man einen Wagen tatsächlich mit eigenen Augen erblicken statt erahnen kann, verpasst alles, hat den Klappstuhl umsonst in die richtige Kurve getragen, umsonst für die Tickets und den prachtvollen Sonnenbrand im Gesicht bezahlt.

In den Fernsehübertragungen aber ist man ganz und gar dabei, sitzt selbst quietschfidel mit in der Cockpitkamera, und fühlt sich wieder wie in der Ich-Perspektive der Autocomputerspiele der Kindertage, mittendrin in der Entdeckung der Schnelligkeit und der Entdeckung der Langsamkeit, als man noch den festen Plan hatte, wenn man groß ist, niemals ein Familienauto, aber einen Rennwagen zu besitzen.

Boxenstopp: wilde und wunderschöne Bilder
Von allen Geschwindigkeiten begeisterte mich in letzter Zeit vor allem jene der Boxenstopps. Es sind wilde, wunderschöne Bilder der Effizienz. Mechaniker, bis zu siebenundzwanzig, so verhüllt, feuerfest und gefährlich aussehend, als ginge es um einen Jahrhundert-Raubüberfall, die im Adrenalinkick zweier Sekunden zwischen Druckluftflaschen und Schlagschrauber abgefahrene mit neuen, wohltemperierten Reifen tauschen. Der schnellste Boxenstopp der Geschichte dauerte im Jahr 2013 übrigens 1,85 Sekunden.

Valerie Fritsch

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(Bild: KMM)



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