Kult-Rock und Rap

Nova Rock: Die Toten Hosen begeistern die Massen

Musik
16.06.2019 01:57

Ibiza-Feeling hat am dritten Tag des Nova Rock Festivals im Burgenland geherrscht - nicht nur, weil die Sonne mit Temperaturen um die 35 Grad im Schatten vom Himmel brannte. „Going To Ibiza“ von den Vengaboys diente der Polit-Punkrock-Gruppe Feine Sahne Fischfilet als Intro. Zu dieser Zeit trockneten Powerwolf noch ihre Bühnenkleider, um sie am Samstag in Nickelsdorf wieder zu verschwitzen

(Bild: kmm)

Feine Sahne Fischfilet hatte mit ihrer energischen Darbietung rasch das Publikum im Griff, Schnapsfontänen und Schlauchbootfahrten über die Köpfe der wild abtanzenden Menge gehörten da ebenso dazu wie klare politische Botschaften des Sängers Jan „Monchi“ Gorkow gegen Homophobie, Rassismus, Fremdenhass und faschistische Tendenzen. „Ist das geil!“, brüllte der Frontman - das rasch angewachsene Publikum vor der Blue Stage stimmte zu und feierte bis zum letzten Ton. Parallel dazu setzen JBO auf puren Klamauk und begeisterten damit ihre Fans.

Erfolg mit Metal
Powerwolf waren erst zu späterer Stunde am Programm, was Keyboarder Falk Maria Schlegel angesichts der tropischen Umstände freute. „Unsere Outfits sind noch von der gestrigen Show nass“, sagte der Deutsche im APA-Interview. Mit Kostümen und an Messen erinnernden Show-Elementen sind Powerwolf bekannt geworden. Aber auch die Musik kommt an: Zweimal stand man an der Spitze der Charts. „Für uns als Heavy Metal Band ist das zwar nicht so relevant, weil wir uns natürlich als Underground sehen“, so Schlegel. „Aber diese Subkultur ist gewachsen und es gibt viele treue Seelen, die unsere Alben kaufen und die die konstruierten Popsternchen vom Thron stoßen. Ich finde das schon ganz nett.“

Die Maskierung für die Auftritte sei gerade bei solchen Temperaturen „durchaus eine Herausforderung. Man muss schon aufpassen, dass man nicht von der Bühne kippt“, lachte der Keyboarder. „Das Make-up anlegen und die Kostüme anziehen, das kostet Zeit. Wir sagen immer zum Spaß: ‘Wer hat sich das denn ausgedacht?‘ Gleichzeitig könnte ich mir das gar nicht mehr vorstellen, darauf zu verzichten. Ich würde mir eher verkleidet vorkommen, wenn ich mit Jeans und T-Shirt auf der Bühne stehe.“

Kirche & Metal = Religion
Bleibt nur die Frage, wie man als Power-Metal-Band auf die Idee kommt, die Bühnenshow als eine Art Messe anzulegen? „Wir stammen aus einer katholisch geprägten Gegend in Deutschland und haben auch eine katholische Erziehung genossen mit der ganzen Liturgie der katholischen Kirche, die ich fast schon unheimlich fand“, antwortete Schlegel. „Ich habe gelernt, Kirchenorgel zu spielen - und irgendwann angefangen, Heavy Metal zu hören. Diese Musik wurde zu einer Lebenseinstellung, zu einer Art Religion. Das Spiel mit Symbolen der katholischen Kirche haben wir schließlich etwas verändert und in unsere Show übernommen, aber nicht verunglimpft.“

Ein gänzlich anderes Genre bediente Schlegels deutscher Landsmann RIN: Der Rapper war sich seiner Außenseiterstellung auf einem Rockfestival bewusst, machte aber aus der Not eine Tugend und holte das zunächst eher spärlich vertretene Publikum schnell ins Boot. „Könnt ihr Moshpit?“, fragte Renato Simunovic, wie RIN bürgerlich heißt, bereits beim zweiten Song und ließ von seinem DJ einen enorm basslastigen Beat aus den Boxen knallen. Dementsprechend flogen nicht nur die Hände in die Luft, während RIN seiner Stimme eine reichhaltige Autotune-Behandlung unterzog.

Stilfremd
Aber es sollte nicht der einzige Rapkünstler an diesem Tag blieben: Immerhin sind vor den Headlinern Die Toten Hosen noch RAF Camora und Bonez MC angesetzt - und die haben heuer im Frühjahr immerhin zweimal hintereinander die Wiener Stadthalle ausverkauft. Sprechgesang mit elektronisch unterfütterten Sounds, die sich bei Dancehall und Trap bedienen, das kommt beim jungen Publikum eben an. Vielleicht auch bei Rockfans.

Die Stars des Abends kommen aus Deutschland: Ihr Programm haben Die Toten Hosen im Vergleich zur „Laune der Natour“ etwas umgestellt, die Dynamik war ungebremst. Gleich vier Klassiker gab es zum Start - „Bonnie & Clyde“, „Du lebst nur einmal“, „Liebeslied“, „Auswärtsspiel“ - und die dicht gedrängten Fans gingen voll ab. Vor „Madelaine“ konnte sich Campino einen politischen Kommentar nicht verkneifen: Die FPÖ sei für die totale Videoüberwachung, vielleicht sei „das gar nicht so eine schlechte Idee, wenn man sich die Bilder aus Ibiza ansieht“, raunte er. Bei „Steh auf, wenn du am Boden bist“ hüpften Band und Fans, bei „Pushed Again“ wurden bengalische Feuer gezündet und bei „Hier kommt Alex“ drehte das Nova Rock endgültig durch.

Extra Gas
Im vergangenen Jahr war bei Campino ein Gehörsturz diagnostiziert worden, die Tournee musste unterbrochen werden. „Alles wieder in Ordnung“, hatte Campino vor dem Auftritt am Samstag versichert. „Insofern kann ich ohne Sorge auf die Bühne gehen, voller Vorfreude bei diesem Wahnsinnswetter, natürlich auch mit dem Gefühl, eigentlich hätten wir im vergangenen Jahr hier sein müssen. Da gibt man dann noch extra Gas.“ Und diese Einstellung merkte man den Düsseldorfern an, die wie eine geölte Maschine funktionierten, aber bei aller Routine enorme Spielfreude ausstrahlten.

Die Fans wollen natürlich wissen, wie es nun weitergeht. „Die laute Version unserer Live-Konzerte schließen wir mit dieser Saison erst mal ab. Es gibt schon neue Pläne, aber die sind noch nicht ganz ausgeheckt“, erzählte Campino der APA. Die aktuellen Sommershows seien „als zusätzliche Runde gedacht, die wir genießen können - ein reiner Spaß, ein Vergnügen und hier eine Wiedergutmachung.“ Die ist der Band zu 100 Prozent geglückt.

Eine Livemacht
Angesichts der Fanmassen bei den Hosen hatten In Flames auf der Red Stage zwar einen schweren Stand, aber der Melodic Death Metal aus Schweden fand dennoch etliche dankbare Abnehmer - was wohl auch daran lag, dass die Gruppe um Sänger Anders Fridén einen wirklich druckvollen Gig ablieferte. Zwar mag das neue Material nicht mehr die Durchschlagskraft früherer Tage erreichen, aber live punktete das Sextett nicht zuletzt dank des übermächtigen Sounds, der nicht nur das Schlagzeug unbarmherzig in die burgenländische Steppe hämmerte.

„Österreich war schon immer ein guter Boden für uns“, nickte vor dem Auftritt auch Gitarrist Björn Gelotte im APA-Interview, „sowohl was die Shows als auch die Plattenverkäufe betrifft.“ Stimmt, immerhin ging das 13. Album „I, the Mask“ erst Anfang März auf Nummer eins. „Aber mir geht es eigentlich weniger um diese Art von Erfolg als darum, einen guten Tag zu haben. Und den haben wir, wenn viele Leute zu unseren Shows kommen. Das ist bei Festivals vielleicht etwas schwieriger als bei Clubshows, weil das Publikum ja nicht nur für dich da ist. Aber es ist meist sehr offen. Die Leuten werden In Flames hören, ob sie wollen oder nicht“, lachte Gelotte.

Harte Tag möglich
Der Musiker, der ursprünglich als Drummer bei der Band fungierte, ist eigentlich gelernter Elektriker. „Ich habe aber keinen einzigen Tag in diesem Beruf gearbeitet. Gott behüte, dass ich jemandem bei solchen Dingen helfen muss. Ich würde ihr verdammtes Haus abbrennen“, schmunzelte Gelotte. „Ich habe einfach keine Ahnung. Aber das hier wollte ich machen, seit ich ein Kind bin. Und natürlich hat jeder mal einen harten Tag - aber eben meist nur einen Tag. Die restliche Zeit ist es einfach großartig. Einen beschissenen Tag kannst du auch haben, wenn du im Stripklub arbeitest oder in einem Süßwarengeschäft. Letztlich haben wir wirklich Glück, dass wir das machen können.“

Mit einem Grinsen im Gesicht beendeten auch Papa Roach ihren Auftritt. Die US-Rockband, die vor 19 Jahren mit „Last Resort“ ihren Durchbruch gefeiert hat, ist nämlich immer noch in der Lage, Zehntausende zum Feiern zu bringen. Alte Hits wie „Between Angels and Insects“, die noch stärker im Nu-Metal verhaftet sind, kamen ebenso gut an wie neues Material, das nicht nur bei „Feel Like Home“ ein Faible für poppige Sounds durchschimmern ließ. In Erinnerung an den verstorbenen Prodigy-Sänger Keith Flint gab es zudem ein knackiges „Firestarter“-Cover. Vom Rock ging es danach direkt zum Hip-Hop von Bonez MC und RAF Camora, die ihrem Exotenstatus am Nova Rock mit reichlich Attitüde und Animation entgegenwirkten. Es gibt ja letztlich kaum etwas, was unter der burgenländischen Sonne nicht Platz hat.

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