Frodl klagt Republik

Staat hätte Promi-Häftling wählen lassen müssen

Österreich
08.04.2010 14:50
Der im Vorjahr aus lebenslanger Haft entlassene Ex-TV-Moderator Helmut Frodl hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Streitfall um sein Wahlrecht gegen die Republik Österreich gewonnen. Das Straßburger Gericht entschied, dass der Ausschluss Frodls vom Wahlrecht in seiner Zeit als Strafgefangener gegen das Recht auf freie Wahlen verstoßen hat. Das Urteil könnte Konsequenzen für die heimische Wahlordnung haben.

Der Gerichtshof verurteilte Österreich zu einer Entschädigungszahlung von 5.000 Euro zuzüglich allfälliger Steuern. Frodls ursprünglichen Antrag auf Kostenerstattung in Höhe von 12.713,06 Euro für die Verfahren in Österreich und vor dem Menschenrechtsgerichtshof lehnten die Richter jedoch als "überhöht" und "nicht ausreichend belegt" ab.

Beschwerde durch alle Instanzen
Frodl war 1993 wegen Mordes an einem Wiener Tonstudio-Besitzer zu lebenslanger Haft verurteilt worden und verbüßte seine Strafe in der Justizanstalt Garsten in Oberösterreich. 2002 erhob er Einspruch bei der Gemeindewahlbehörde, weil sein Name nicht im Wählerverzeichnis eingetragen war. Sowohl die Gemeindewahlbehörde als auch später die Bezirkswahlbehörde lehnten den Einspruch mit Hinweis auf die Nationalratswahlordnung ab, in der nach Paragraf 22 Wahlausschließungsgründe wegen gerichtlicher Verurteilung geregelt sind. Der Verfassungsgerichtshof lehnte 2003 Rechtshilfe für den Beschwerdeführer ab und verwies auf die Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Bestimmung in der Wahlordnung. Die Beschwerde ging in die übergeordnete Instanz.

Nach dem nun vorliegenden Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs sind die Wahlausschließungsgründe in Österreich zu ungenau geregelt. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit mache erforderlich, dass zwischen der Sanktion und dem Verhalten des Betreffenden sowie den Umständen eine ausreichende Verbindung bestehe, was in Österreich nicht der Fall sei. Der Ausschluss müsse auch bei Strafgefangenen eine Ausnahme sein und müsse ausreichend begründet sein.

Wahlverbot bei mehr als einem Jahr Gefängnis
Der Wahlausschließungsgrund "Wegen gerichtlicher Verurteilung" ist im Paragraf 22 der Nationalratswahlordnung geregelt. Demnach ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer durch ein inländisches Gericht "wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist". 

Der Ausschluss endet sechs Monate nachdem die Strafe vollstreckt ist "und mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen vollzogen oder weggefallen sind". Nicht berührt wird das Wahlrecht von einer bedingten Strafe.

Justizministerium muss Urteil zuerst prüfen
Im Justizministerium wollte man das Urteil am Donnerstagnachmittag noch nicht kommentieren. Man müsse sich das erst gründlich ansehen und dann entscheiden ob und wie man darauf reagieren könnte. Dafür ist auch ausschlaggebend, inwieweit der Fall Präzedenzwirkung hat, was ein Sprecher von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gegenüber krone.at ebenfalls nicht kommentieren wollte. Je nach Szenario könnte eine Reform der Wahlordnung erfolgen, theoretisch kann die Republik aber auch ein Berufungsverfahren anstreben. 

Das Urteil wurde von sieben Richtern gefällt, darunter auch die Österreicherin Elisabeth Steiner. Bei der Abstimmung, ob die Republik im Fall Frodl gegen die Europäische Menschrechtskonvention verstoßen hat, sprachen sich sechs Richter dafür aus.

Stichwort: EGMR
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (kurz: EGMR) ist ein aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention eingerichteter Gerichtshof mit Sitz in Straßburg, der Akte der Gesetze und den Handlungen des Verwaltungsapparats in Bezug auf die Verletzung der Konvention in allen Unterzeichnerstaaten überprüft. Er ist dem 1949 gegründeten Europarat zuzuordnen, der heute 47 Staaten umfasst. Mit der Europäischen Union herrscht hier weder beim EGMR noch beim Europarat keine institutionelle Verbindung.

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