"Alle sehen weg"

Ex-Süchtiger packt aus: Drogendeals in Therapiezentren

Wien
16.03.2010 16:45
Er ist jahrelang auf Heroin gewesen, hat keine Droge ausgelassen, ist jetzt im Substitol-Programm, hat Aids und packte nun aus: Robert L. (Name geändert) ließ kein gutes Haar an der Wiener Drogenpolitik: "Ärzte verschreiben viel zu schnell Drogenersatz-Medikamente, gedealt wird selbst in den Therapiezentren. Und alle sehen weg." Dabei handle es sich um "Einzelfälle", konterte dagegen ein Wiener Drogenkoordinator.

Auf die Frage, was Sucht sei, kennt Robert L. viele Antworten. "Wenn man trotz Eigentumswohnung in einem Abbruchhaus lebt, um näher beim Dealer zu sein", ist eine davon. Oder: "Wenn der einzige Fulltimejob das Auftreiben von Kokain ist." Heute ist der gelernte Bauspengler im Substitolprogramm, schwer krank und will warnen. 

Und da lässt man ihn am besten reden: "Jugendliche erfinden bei Ärzten oft eine Heroinsucht, um an Substitol zu kommen, das sie verkaufen können. Diese Ärzte verschreiben viel zu schnell. 760 Milligramm Substitol als Tagesration für Junge etwa. Gedealt wird auch in den Therapiezentren der Stadt. Dort sitzen Süchtige neben Kriminellen, die sich für Therapie statt Strafe entschieden haben. Und auf dem Karlsplatz rennen viel zu viele Kinder herum. Wir hatten damals einen Kodex, wir haben nie an Minderjährige verkauft."

Und so redete Robert L. immer weiter. Zu wenig Prävention, keine praktische Info-Homepage für Eltern usw. Für Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel sind diese Vorwürfe "Einzelfälle": "Wenn während der Therapien gehandelt wird, dann fliegen diese Patienten raus. Das kommt aber selten vor. Und Jugendliche brauchen die Meinung von zwei Ärzten, um substituiert werden zu können." Wie gesagt: Einzelfälle. So, wie Robert L. ja auch nur ein Einzelfall ist. Ein süchtiger, todkranker Einzelfall.

von Michael Pommer, Kronen Zeitung

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