Wall Street im Spiel

US-Banken halfen Griechenland bei Verschleierung

Ausland
14.02.2010 16:20
Das zusammenfallende Kartenhaus der griechischen Staatsfinanzen ist offenbar jahrelang von US-Unternehmen gestützt worden. Laut einem Bericht der "New York Times" hat die amerikanische Finanzbranche dem Land massiv geholfen, seine Defizitprobleme zu kaschieren. So habe Athen etwa durch ein Geschäft mit Goldman Sachs Schulden in Milliardenhöhe vor der EU geheimhalten können, heißt es.

2001, kurz nach Griechenlands Zulassung zur Eurozone, habe Goldman Sachs dem Land mehrere Milliarden Dollar geliehen, ohne dass dies öffentlich geworden wäre, berichtet die Zeitung unter Berufung auf mit der Transaktion vertraute Kreise. Das Geschäft sei als Devisenkauf und nicht als Kredit dargestellt worden. So habe Goldman Sachs dazu beigetragen, dass Griechenland dem Anschein nach die Defizitvorgaben der Eurozone erfüllte. 

Der Bank soll das Geschäft 300 Millionen Dollar an Transaktions-Gebühren eingebracht haben. Die griechische Regierung verpfändete für die Rückzahlung etwa Einnahmen aus Flughäfen und anderer Infrastruktur sowie aus der staatlichen Lotterie.

Es habe Dutzende derartige Geschäfte gegeben, nicht nur mit Goldman Sachs, auch mit weiteren bekannten Banken wie JP Morgan, die einst Italien beim Schönbügeln seines Defizits für den Euro-Beitritt half, berichtet die "NYT". Goldman Sachs' Angebote für Griechenland hätten meist Namen griechischer Götter getragen. Wall Street habe die Krise Griechenlands zwar nicht verursacht, die Geschäfte hätten jedoch die extreme Defizitpolitik des Landes mit ihren nach außen hin einwandfreien Geschäften erst ermöglicht.

"Last Minute"-Angebot dann doch ausgeschlagen
Selbst als die Haushaltskrise in Griechenland sich ihrem Höhepunkt näherte, suchten US-Banken dem Bericht zufolge noch nach Wegen, dem Land eine Offenbarung seines Schuldenproblems zu ersparen. Anfang November 2009 sei eine Delegation von Goldman Sachs angeführt von Bankchef Gary Cohn nach Athen gereist, um der in Bedrängnis geratenen Regierung eine Lösung vorzuschlagen. Das Konzept bot Griechenland demnach die Möglichkeit, die Fälligkeit der Schulden des Gesundheitssystems in eine ferne Zukunft zu verlegen. Auf das Angebot sei Athen dann jedoch nicht eingegangen, da bereits die Krisenberatungen in der EU im Rollen waren.

Laut "New York Times" habe nicht nur Griechenland derartige Geschäfte mit US-Banken gemacht. Auch mit Italien "und möglicherweise noch mit anderen Ländern" habe es in jüngerer Vergangenheit Deals gegeben. Griechenland sei jedoch einzigartig. Mit seinen 300 Milliarden Dollar Schulden sei das Land in der Hand von Banken, die aber als "too big too fail" gelten. 

Chronischer Defizitsünder
Griechenland galt in der Euro-Zone seit Jahren als unsicherer Kantonist: Der Mittelmeer-Staat verschleierte schon vor zehn Jahren die wahre Höhe der Verschuldung, um die Kriterien für die Einführung des Euro zu erfüllen. Auch in den Folgejahren blieb das Land ein chronischer Defizitsünder, der selbst in guten Zeiten nicht die Weichen für eine Sparpolitik stellte. 

Große Vorhaben wie eine Rentenreform blieben unerledigt. Steuern werden nicht eingetrieben, die Sozialversicherung ist fast pleite. Der staatliche Beschäftigungssektor ist zu groß, die Wirtschaft schafft selbst nicht genug Jobs. Das Misstrauen, ob das Land seine Schulden in den Griff bekommt, ist eine Folge dieser Politik. 

Euro-Finanzminister halten Krisenrat
Der Krisensitzungs-Reigen mit dem Thema Griechenland geht indes weiter. Nach den EU-Staats- und Regierungschefs werden am Montag die Euro-Finanzminister in Brüssel über das Sicherungsnetz für das hoch verschuldete Griechenland sprechen. Die 16 Länder mit Euro-Währung wollen koordiniert vorgehen, falls ihr schwächstes Mitglied Griechenland in einem Notfall seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. Wie konkret geholfen werden könnte, ist bisher nicht bekannt. Im Gespräch sind bilaterale Kredite oder der Aufkauf von griechischen Staatsanleihen, falls diese nicht mehr von den Finanzmärkten aufgenommen werden sollten. Ob die Minister schon zu Ergebnissen kommen, gilt als offen.

Den Kapitalmärkten fehlt bisher Klarheit, wie die von Europa zugesagte Hilfe aussehen könnte. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatte am vergangenen Donnerstag eine bisher beispiellose Erklärung verabschiedet, wonach Athen im Falle einer akuten Finanzkrise unter die Arme gegriffen werden soll. Denn eigentlich verbietet der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäische Union den Staaten die gegenseitige Schuldenbegleichung. Dadurch soll vermieden werden, dass die Finanzpolitik einer Regierung gezielt darauf spekuliert, im Ernstfall von den übrigen Staaten aufgefangen zu werden. 

Mehrheit der Deutschen für Euro-Rauswurf Griechenlands
Speziell Deutschland pocht auf die Wahrung dieses Prinzips. "Dadurch gerät das ganze Gebäude in Schieflage", sagte der langjährige Chefökonom der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, der "Welt am Sonntag". Griechenland müsse sich selbst helfen. Er verwies unter anderem auf das großzügige griechische Rentensystem: "Es kann doch nicht angehen, dass man Hilfe von außen in Anspruch nimmt, um so etwas weiterbetreiben zu können."

Eine knappe Mehrheit der Deutschen plädiert für einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone, wenn dessen Verschuldung die Stabilität der Gemeinschaftswährung gefährden sollte. Noch deutlicher ist mit 67 Prozent die Mehrheit, die sich gegen Finanzhilfen aus Deutschland und anderen EU-Staaten ausspricht.

Juncker: "Euro-Gruppe hat Fehler gemacht"
Der Vorsitzende der Finanzministerrunde, Luxemburgs Premier- und Schatzminister Jean-Claude Juncker, räumte am Wochenende Fehler der Euro-Gruppe ein. "Wir betrachten die mangelnde Beschäftigung mit der griechischen Lage als mittelmäßig schweren Unterlassungsfehler", sagte er der "SZ". Die Euro-Gruppe werde sich künftig viel intensiver mit der Wettbewerbsfähigkeit der Länder beschäftigen. Der dienstälteste Regierungschef der EU forderte angesichts der falschen Angaben, die Griechenland in Brüssel gemacht hat, die europäische Statistikbehörde Eurostat müsse Zugriffsrecht auf nationale Daten erhalten. 

Einen Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone lehnt hingegen Juncker ab. Dies hätte "erdbebenartige, unkontrollierbare Folgen" und würde Griechenland in die Nähe des Staatsbankrotts bringen. "Die Finanzmärkte würden extensiv negativ reagieren. Der Ausstieg wäre das totale Aus für Griechenland." Auch für das Image der Euro-Zone wäre das absolut negativ, meint Juncker.

Finanzminister werden Defizitverfahren verschärfen
Ein Punkt bei den Finanzminister-Beratungen ist bereits konkretisiert: Wie von der Kommission vorgeschlagen, wollen die EU-Finanzminister das Defizitstrafverfahren gegen Athen verschärfen. Griechenlands Haushaltspolitik wird damit in bisher ungekannter Weise unter strenge Aufsicht gestellt; das Mittelmeerland muss bis 2012 seine Neuverschuldung unter die erlaubte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. 2009 hatte die Neuverschuldung in Griechenland das Rekordniveau von 12,7 Prozent des BIP erreicht. In diesem Jahr hat Athen das ehrgeizige Ziel, durch scharfe Einschnitte ins Sozialsystem, Lohnkürzungen und Steuererhöhungen das Defizit um vier Prozentpunkte zu senken.

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