Lokalaugenschein

So tapfer improvisieren die Eingeschlossenen

Steiermark
08.01.2019 06:30

Seit Menschengedenken nehmen die Lawinen die gleichen Pfade über die Hänge des steirischen Sölktals. Und die Einheimischen haben gelernt, damit zu leben. Die Bewohner der eingeschlossenen Orte St. Nikolai, Mößna und Fleiß arrangieren sich mit der Gefahr, so gut es geht. Und lassen sich ihre Laune nicht verderben. Das Bundesheer fliegt mit Helikoptern Lebensmittel und Medikamente zu den Eingeschlossenen (siehe Video oben).

„Manchen ist sicher ein bisserl langweilig da herinnen im Tal“, meint einer der Feuerwehrmänner. „Wer weiß, vielleicht haben wir in neun Monaten ein paar Einwohner mehr.“ Schallendes Gelächter. Den Kameraden ist der Humor noch keineswegs vergangen.

In der warmen Stube des Rüsthauses im Ortsteil Fleiß herrscht ein reges Kommen und Gehen. Auch Bürgermeister Werner Schwab bezieht an einem Tisch Stellung, das Handy dauernd am Ohr. Nach einer Live-Schaltung ins deutsche Nachrichtenfernsehen umreißt er die aktuelle Lage.

Vier Kilometer im brusthohen Schnee
Seit das Bundesheer am Sonntag ein Wolkenfenster für einen Versorgungsflug genutzt habe, seien die Ortsteile Mößna und St. Nikolai wieder völlig abgeschnitten, so Schwab. Der einzige Weg dorthin, der nicht massiv lawinengefährdet ist, sei ein Fußpfad von Fleiß nach Mößna - vier Kilometer durch brusthohen Schnee.

Auf diesem Weg muss der Bürgermeister wahrscheinlich demnächst einen Transport organisieren. Eine Ärztin aus St. Nikolai hat einen Notfallrucksack mit Antibiotika bestellt. Eigentlich sollte sie in Schladming im Spital ihren Dienst versehen. Aber Schwab ist gar nicht unglücklich, dass bei den Eingeschlossenen auch eine Ärztin ist.

Einheimische fügen sich Schicksal
Während einzelne der 70 bis 80 Urlaubsgäste wegen ihrer verhinderten Abreise langsam die Geduld verlieren, fügen sich die Einheimischen ihrem Schicksal. Seit Jahrhunderten weiß man im Sölktal ganz genau, wo die Lawinen herunterkommen - wenn sie kommen. Und die seit Donnerstag gesperrte Landesstraße führt nun einmal direkt durch die gefährdeten Rinnen auf der Nordostseite des Tals.

Schwierige Bergung
Direkt neben einer dieser tödlichen Lawinenschneisen am Gumpeneck, an der Sattlerrinne, liegt das Haus eines deutschen Pensionisten, der in seiner Not mit Bergretter Manfred Hofer Kontakt aufgenommen hat. „Der Mann will vom Berg herunter“, erzählt Hofer, „aber seine Zufahrt führt direkt durch die Rinne. Zu gefährlich. Wir werden von der anderen Seite zu Fuß hinaufsteigen, eine Spur legen und den Mann abholen.“

Der luftige Steg über die Staumauer
Gegenüber sind die Hänge weniger steil und besser geschützt. Hier führt jene Schotterstraße entlang, die Fleiß derzeit noch mit der Außenwelt verbindet. Für alle, die dringend hinunter ins Ennstal müssen, führt die Feuerwehr einen Shuttle-Service bis zum Stausee. Dort muss man zu Fuß den luftigen Steg über die Staumauer nehmen, um die L 704 auf der anderen Talseite zu erreichen.

Eine Jause für die Feuerwehr
Eine, die diese Möglichkeit gleich Montagfrüh genutzt hat, ist Margarete Reiter, die mit ihrer Familie auf einem Hof in der Fleiß wohnt. „Ich hab’ dringend zum Arzt hinunter müssen nach Gröbming“, erzählt die 73-Jährige, die bei ihrer Rückkehr ein volles Einkaufssackerl in der Hand hat: „Da ist eine Jause drin für die Feuerwehr, als Dankeschön fürs Führen.“

Die Feuerwehrmänner freut es. 25 Aktive sind sie im Ort; der jüngste unter ihnen ist am Montag der 13-jährige Jonas Perner. „Ich sollte eigentlich in Stein in der Schule sitzen“, erzählt der junge Mann, während er zusammen mit den erwachsenen Kameraden die Schneeschaufel schwingt. „Aber irgendwie“, gesteht er, „ist mir das Schneeschaufeln eh gerade lieber“.

Matthias Wagner
Matthias Wagner
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