Pakistan kapituliert

Christin ist nach Freispruch „nirgendwo sicher“

Ausland
03.11.2018 20:00

Wenige Tage nach der Aufhebung des Todesurteils gegen die Christin Asia Bibi in Pakistan ist ihre Zukunft weiter unsicher. Nach Massenprotesten einigten sich die Islamistenpartei Tehreek-e-Labaik und die Regierung in Islamabad am Freitagabend darauf, dass die Islamisten Berufung einlegen dürfen und Bibi die Ausreise untersagt wird. „Wir sind nirgendwo sicher“, sagte Bibis Ehemann Ashiq Masih am Samstag der Deutschen Welle.

Nach dreitägigen Ausschreitungen erklärte die Islamistenpartei Tehreek-e-Labaik die Massenproteste angesichts der Einigung mit der Regierung für beendet. Religionsminister Noor-ul-Haq Qadri und Informationsminister Fayazulhasan Chohan bestätigten die Absprache. Die Demonstranten entfernten am Samstag die Barrikaden in den großen Städten. Karachi, Lahore und Islamabad kehrten zur Normalität zurück. Geschäfte und Schulen waren wieder geöffnet.

„Diese Übereinkunft hätte es niemals geben dürfen“, sagte Bibis Ehemann Ashiq Masih der Deutschen Welle. Seine Ehefrau, die bereits seit zehn Jahren wegen angeblicher Gotteslästerung im Gefängnis sitzt, sei „in großer Gefahr“. Er appellierte an die Regierung, für ihre Sicherheit zu sorgen. Auch er und die gemeinsamen Töchter seien nicht sicher und wechselten ständig ihren Aufenthaltsort.

Bibis Anwalt hat Land verlassen, will aber „weiter kämpfen“
Bibis Anwalt Saif-ul-Mulook sagte AFP, die gewaltsame Reaktion der Islamisten auf das Urteil sei „traurig, aber nicht unerwartet“. „Schmerzhaft“ sei allerdings die Antwort der Regierung. „Sie können nicht einmal ein Urteil des Obersten Gerichts des Landes umsetzen“, bedauerte er. Aus Sorge um seine eigene Sicherheit verließ der Anwalt wie berichtet am Samstag das Land. Er wolle aber „weiter vor Gericht für Asia Bibi kämpfen“, kündigte er an.

Pakistanische Medien kritisierten die Vereinbarung zwischen Regierung und Islamisten. „Eine weitere Regierung hat vor den gewalttätigen religiösen Extremisten kapituliert, die weder an die Demokratie noch an die Verfassung glauben“, hieß es im Leitartikel der Zeitung „Dawn“ vom Samstag.

Der Oberste Gerichtshof Pakistans hatte am Mittwoch nach acht Jahren das Todesurteil gegen Bibi wegen Gotteslästerung aufgehoben. Er sprach die Frau, deren Fall international für Aufsehen gesorgt hatte, von allen Vorwürfen frei. Blasphemie ist im streng konservativ-islamischen Pakistan ein folgenschwerer Vorwurf. Wegen entsprechender Anschuldigungen verbüßen dort derzeit rund 40 Menschen nach Schätzungen eines US-Ausschusses zur Religionsfreiheit lebenslängliche Gefängnisstrafen oder warten auf ihre Hinrichtung. Immer wieder kommt es zu Lynchmorden wegen Vorwürfen der Gotteslästerung.

Die Spannungen in Pakistan wurden durch die Nachricht vom Tod des bedeutenden pakistanischen Religionsführers Sami ul-Haq angefacht. Dieser wurde nach Behördenangaben am Freitag in seinem Haus in Rawalpindi von Unbekannten niedergestochen, teilten Behördenvertreter und seine Familie mit. Tausende Anhänger nahmen am Samstag an seiner Beerdigung teil.

Ul-Haq, der auch als „Vater der Taliban“ bekannt war, war ein Verbündeter der regierenden Tehreek-e-Insaf-Partei von Premierminister Imran Khan. Dieser verurteilte die Ermordung und ordnete eine Untersuchung an. Die afghanischen Taliban sprachen in einer Erklärung von „einem großen Verlust für die gesamte islamische Nation“. In Ul-Haqs Koranschulen wurden spätere Taliban-Größen wie Mullah Omar und Jalaluddin Haqqani ausgebildet.

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