Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und vor allem die durch ihn verursachten Kosten sorgen nicht nur bei uns regelmäßig für hitzige Debatten, sondern auch im benachbarten Deutschland. Dort fordert die Politik von ARD und ZDF ein dickes Sparpaket, erste Einsparungsvorschläge gehen ihr nicht weit genug. Zuletzt hat sich auch RTL-Chefin Anke Schäferkordt in die Diskussion eingeschaltet. Sie fordert naturgemäß eine Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - und stößt damit auch hierzulande neue Debatten über die Zukunft des ORF an.
Die Chefin der größten europäischen Privatsendergruppe fragt im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“: „Wären Einschnitte im Programm wirklich eine Bedrohung für Demokratie und Gesellschaft? Es geht nicht um Budgetkürzungen bei ,Tagesschau’, ,Weltspiegel’ oder ,Auslandsjournal’. Wäre es aber ein solcher Verlust, wenn man nach dem Istanbul-, dem Lissabon-, dem Barcelona-, dem Athen- und dem Tel-Aviv-Krimi in Zukunft darauf verzichtete, alle weiteren schönen Schauplätze dieser Welt mit Krimis zu bespielen?“
Ginge es nach Schäferkordt, sollten sich ARD und ZDF auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, also auf Bildung, Kultur und Information. Dafür brauche es deutlich weniger Spartensender als sie bei ARD und ZDF derzeit in Betrieb seien.
RTL-Gruppe sieht sich benachteiligt
Schäferkordt sieht ihren Arbeitgeber im Konkurrenzkampf mit den öffentlich-rechtlichen Sendern im Nachteil. „Das öffentlich-rechtliche Angebot in seiner heutigen Dimension verzerrt den Wettbewerb und beschränkt in der Konsequenz die Medienvielfalt. Nur eine grundsätzliche Debatte über Auftrag, Umfang und Finanzierung kann für seine dauerhafte Stabilisierung und glaubwürdige Legitimierung sorgen“, sagt Schäferkordt.
Zum Vergleich: Die RTL-Gruppe mit Sitz in Luxemburg macht pro Jahr einen Umsatz von 6,2 Milliarden Euro (Stand 2016), die Rundfunkgebühr spült 8,1 Milliarden Euro (Stand 2015) in die Kassen von ARD, ZDF und Deutschlandradio.
Lösung der Misere könne nur eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Medienangebots in Deutschland sein, meint Schäferkordt. In der notwendigen Kommission sollten nicht nur unabhängige Experten sitzen, sondern „auch Wettbewerber“. Moderiert werden könne eine solche Kommission von der Politik, schlägt die RTL-Chefin vor.
„Medienenquete“ findet Anfang Juni statt
Im Grunde will Schäferkordt damit für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk etwas, das für den ORF längst geplant ist. Hierzulande will die Regierung am 7. und 8. Juni im Zuge einer sogenannten Medienenquete über die Zukunft des ORF entscheiden. Dabei werden wohl auch drastische Vorschläge wie jener des FPÖ-Stiftungsrates Norbert Steger diskutiert, das Korrespondentennetz massiv auszudünnen. Bei der „Medienenquete“ werden hierzulande nebst Experten auch Politiker und Vertreter der Privatsender ihre Ideen einbringen.
Dass diese Ideen nicht unbedingt uneigennützig sind, liegt freilich auf der Hand. Dass sich Private höhere Einschaltquoten und somit Erlöse erhoffen, wenn der ORF weniger publikumsträchtige Unterhaltung im Hauptabend zeigt, ist logisch. Und dass Politiker jeder Couleur ein Interesse daran haben, ihren Einfluss auf das reichweitenstärkste Massenmedium im Land auszubauen, ebenfalls.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB).