„Krone“-Brennpunkt

Polit-Spielwiese ORF: Kampf um die Macht beginnt

Österreich
21.03.2018 19:45

Seit Jahrzehnten ist das Medienzentrum am Wiener Küniglberg auch ein Spielball der Parteien. Jetzt ist wieder eine andere Regierung am Ruder. Der rot-weiß-rote Staatssender ORF steht vor einem Umbruch.

Wenn am Donnerstag der Stiftungsrat, also quasi das Aufsichtsgremium des ORF, tagt, dann beginnt eine neue Zeitrechnung. Erstmals seit zwölf Jahren hat nicht mehr die SPÖ, sondern die ÖVP mit der FPÖ das Sagen. Ab Mai dann sogar eine Zweidrittelmehrheit, mit der der Generaldirektor abgesetzt werden könnte.

Mit sogenannten Freundeskreisen am Küniglberg soll die Distanz zur Politik demonstriert werden. Doch die Begehrlichkeiten der Parteien an den Staatssender samt Umfärbeaktionen sind ebenso traditionell wie historisch. Fakt ist, dass das Rundfunk-Schwergewicht wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen hängt.

Hohe Personalkosten, sinkende Einnahmen
Sinkende Einnahmen durch Streaming-Plattformen via Internet, knapp 400 Millionen Euro Personalkosten pro Jahr und im Gegenzug immer höhere Kosten etwa für Sportrechte machen dem Sender zu schaffen. Hinzu kommen peinliche Pannen im Herzstück Information. Eine Reform ist unabdingbar, das Finanzierungsmodell mit GIS-Gebühren bleibt – trotz des Ja dafür in der Schweiz – auf dem Prüfstand. Im Sommer will die Regierung auf einer Medienenquete über die Zukunft des ORF entscheiden.

Bekommt Wrabetz Gesellschaft?
Die Alleinherrschaft von Alexander Wrabetz als Generaldirektor geht wohl dem Ende zu. Er steht zwar nicht (sofort) vor der Ablöse, könnte aber bis zu drei Generalintendanten zur Seite gestellt bekommen. Der Kampf um Posten und Macht am Küniglberg hat wieder einmal begonnen ...

„Schlagzahl bei Reformen erhöhen!“
Thomas Zach, Leiter des ÖVP-nahen Freundeskreises im ORF, nimmt dazu im „Krone“-Interview Stellung:

„Krone“: Was will der neue Stiftungsrat zuerst durchsetzen?
Thomas Zach: Das höchste Gut ist die Glaubwürdigkeit. Gerade in der Information hat sich der ORF zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert, steht in der Kritik des Publikums. Ich erwarte mir von Wrabetz, die Schlagzahl bei den Reformen für ein gutes öffentlich-rechtliches Programm zu erhöhen.

Wie soll der ORF der Zukunft aussehen?
Der ORF muss der rot-weiß-rote Programmdienstleister in Österreich sein. Seine Stärke sind die Landesstudios mit einer breiten regionalen Berichterstattung vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Genauso wie das weltweite Korrespondentennetz.

In der Schweiz wurde klar für die Rundfunkgebühren gestimmt – wie sieht Ihr künftiges Finanzmodell aus?
Mir ist wichtig, dass für das Publikum das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

„Von ORF-Umfärbung kann keine Rede sein“
Die Vorwürfe einer politischen Machtübernahme im ORF lehnt Ex-Vizekanzler und FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger im „Krone“-Gespräch dagegen ab:

„Krone“: Was ist die erste Maßnahme, die der neue Stiftungsrat durchsetzen will?
Norbert Steger: Sparsam und objektiv soll der „ORF neu“ sein. Nicht einmal engste Freunde der derzeitigen Situation glauben, dass der ORF immer objektiv ist. Und: Der ORF soll in Europa führend im Nachrichtenwesen werden.

Mit einer Zweidrittelmehrheit könnten Sie Wrabetz absetzen.
Die Rede ist von einem objektiven ORF, der preisgünstiger ist. Wenn Wrabetz das erreicht, dann ist zunächst kein Grund, jemanden fünf Jahre zu zahlen und nur zwei Jahre arbeiten zu lassen. Und von Umfärben kann keine Rede sein. Woher sollen die ganzen Blauen jetzt kommen, die es im ORF nicht gibt?

Ihr künftiges Gebührenfinanzierungs-Modell ist?
Das ist Aufgabe des Parlaments, nach der derzeitigen Struktur könnte der ORF aber billiger werden.

Zur Geschichte des Staatsfunks
Seit der Aufnahme des Fernsehbetriebs 1958 sind es die Parteien, die sich Einfluss im ORF und damit auf das öffentliche Meinungsbild sichern wollen. Rundfunkvolksbegehren (1964) und das von ÖVP und FPÖ beschlossene Rundfunkgesetz (ab 1967) waren erste Schritte, den ORF der politischen Einflussnahme zu entziehen – mit „Tiger“ Gerd Bacher als Generalintendant.

Die zweite Reform 1974 unter SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky brachte Bacher zu Fall, den „roten“ Otto Oberhammer an die Spitze. Bacher kehrte zurück (1978-1986), danach konnte sich wieder der von der SPÖ nominierte Thaddäus Podgorski durchsetzen. In der letzten Ära Bacher (1990-1994) und mit Österreichs EU-Beitritt folgte das Ende des ORF-Monopols.

Das rot-schwarze Wechselspiel ging weiter: Nach Gerhard Zeiler und Gerhard Weis (SPÖ-nahe) folgte die Vertraute des damaligen ÖVP-Kanzlers Wolfgang Schüssel, Monika Lindner – berühmt-berüchtigt: das „Moltofon“, der direkte Draht des ÖVP-Klubchefs Wilhelm Molterer in den ORF. 2007 kam Alexander Wrabetz mit Stimmen aus allen politischen Lagern an die Spitze.

Daten und Fakten zum ORF

  • Rund 4000 Mitarbeiter (mehr als 3000 in der ORF-Mutter und knapp 1000 in den ausgelagerten Töchtern) arbeiten für den rot-weiß-roten Staatssender.
  • Personalkosten pro Jahr: derzeit rund 400 Millionen Euro.
  • Das Budget 2018 beläuft sich auf eine Milliarde Euro, der prognostizierte Gewinn wird sich auf eine schwarze Null einpendeln.
  • Der mit Abstand größte Finanzbrocken kommt durch Einnahmen aus den erst im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent erhöhten Gebühren von insgesamt knapp 630 Millionen Euro herein. Jeder Österreicher, der zu Hause (nicht übers Internet) ORF-Radio und -Fernsehen empfängt, zahlt je nach Bundesland zwischen 20,93 und 26,73 Euro pro Monat.
  • Am niedrigsten ist die GIS in Vorarlberg und Oberösterreich, am teuersten in der Steiermark, Niederösterreich und Wien.
  • Von den Gebühren fließt freilich nicht alles an den ORF. Sieben Länder (außer Vorarlberg und Oberösterreich) behalten sich bis zu 5,80 Euro an der Abgabe ein, der Bund zwei Euro.

Christoph Budin, Norman Schenz, Marie-Therese Pribil, Stefan Weinberger, Kronen Zeitung

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