Kampusch-Bericht

Ludwig Koch glaubt weiter an Mitwisser

Österreich
08.05.2009 12:51
Gab es Mitwisser oder Komplizen von Entführer Wolfgang Priklopil? Oder wird Natascha Kampusch erpresst? Nach der Übergabe des Zwischenberichts der Evaluierungskommission an das Innenministerium brodelt die Gerüchteküche weiter. Laut Kommissions-Leiter Ludwig Adamovich zu Unrecht: Begriffe wie "Mitwisser" oder "Erpressung" würden in dem zehn Seiten starken Bericht überhaupt nicht vorkommen, betonte der Ex-Verfassungsgerichtshof-Präsident am Donnerstag. Ganz anderer Meinung ist Natascha Kampuschs Vater Ludwig Koch. Er sagte am Freitag, dass er überzeugt ist, dass es im Entführungsfall seiner Tochter zumindest Mitwisser gegeben haben muss.

Es würden sich immer wieder Leute mit entsprechenden Informationen bei ihm melden. "Und das kann ja kein Zufall sein", meinte Koch. Auch Polizisten hätten ihm in Privatgesprächen erzählt, dass sie gerne weiter ermittelt hätten, "es ihnen aber per Weisung verboten worden ist", sagte Koch. Die neuen Ermittlungsansätze begrüßte der Vater entsprechend: "Wenn davon nur zwei Prozent stimmen, ist das ja schon ein Wahnsinn."

Mit seiner Tochter hat er bis heute nicht über die Entführung gesprochen. "Ich wollte warten, dass sie mir von selbst das Herz ausschüttet", meinte der Vater. Derzeit bestehe kein Kontakt zu ihr. Ob tatsächlich eine "Erpressung" hinter dem Schweigen seiner Tochter steckt, wollte Koch erneut nicht völlig ausschließen. "Ich weiß nicht, ob sie erpresst wird oder sich nur erpresst fühlt", meinte der Vater. Keine Angaben konnte Koch zu den angeblich aufgetauchten Fotos seiner Tochter machen: "Davon weiß ich nichts."

"Kühne Spekulationen"
Medienberichte über bis zu fünf Mitwisser und eine Erpressung von Natascha Kampusch seien "kühne Spekulationen", daran sei "kein wahres Wort", betonte hingegen Kommissions-Leiter Adamovich. "Der Bericht sagt nichts anderes aus als: Da gibt es einige Situationen, da müsste unbedingt weiter nachgefragt werden." Die Aussage "Es gibt einen Sachverhalt, der aufklärungswürdig ist" sei etwas ganz anderes als die Feststellung "Es gibt Mitwisser oder Mittäter". Und genau diese gebe es in dem Bericht nicht.

Das gleiche Thema hatte bereits der Endbericht der ersten Evaluierungskommission im Juni 2008 aufgegriffen. Damals war "von  fassbaren Hinweisen in Richtung Mehrtäterschaft" die Rede. "Es hat da Anhaltspunkte gegeben, denen damals nicht nachgegangen worden ist", erklärte Adamovich. Das bedeute, es gebe offene Fragen, nicht jedoch einen direkten Hinweis auf weitere Beteiligte. So sei beispielsweise auch die bereits im Juni erwähnte Aussage von Natascha Kampusch zu sehen. Laut dieser wartete sie unmittelbar nach der Entführung gemeinsam mit Wolfgang Priklopil in einem Waldstück auf andere Personen, von denen aber keine aufgetaucht sei. "Es sind halt ein paar Punkte, die offen sind - Ermittlungsansätze", so der Kommissions-Leiter (siehe Infobox).

Kritik an Stillhalte-Taktik des Innenministeriums
Ähnlich seien die Gerüchte über Ermittlungen im Kinderpornografie-Milieu zu sehen. Die Staatsanwaltschaft habe diesbezüglich einen Erhebungsauftrag ans Bundeskriminalamt gegen bestimmte Personen gerichtet. "Das ist etwas, das irgendwie am Rande mit der Causa zu tun hat und eigentlich völlig trennbar ist", so Adamovich. Eine Veröffentlichung wäre viel besser, "denn dann würde eine gewisse Klarheit entstehen", betonte er. "Damit würde das Ganze objektiviert werden." In der jetzigen Situation könne der "Gerüchteentwicklung nicht wirksam entgegengewirkt werden".

Das Innenministerium wollte aber dennoch keinen Kommentar zur Causa abgeben: Aufgrund des offenen Verfahrens gebe es keine Stellungnahme, betonte Martin Brandstötter, Sprecher von Ressort-Chefin Maria Fekter, und fügte hinzu: "Das ändert sich auch nicht durch die Spekulationen."  Eine Übermittlung des Zwischenberichts an den Nationalrat sei nicht geplant. "Es ist nicht vorgesehen, ihn zu veröffentlichen", so Brandstötter. Seine Begründung: "Laufende Ermittlungen."

Kampusch "erstaunt" über neuerliche undichte Stelle
Natascha Kampusch selbst übte scharfe Kritik an dem Durchsickern von Informationen rund um ihren Fall, aber auch an der Aufklärungsarbeit der Polizei. "Es wäre interessant, den Bericht in seiner Gesamtheit zu sehen und nicht nur einzelne Sätze", hieß es aus dem Umfeld der 21-Jährigen. "Sie würde gerne den Bericht lesen und nicht nur auf Aussagen aus zweiter und dritter Hand reagieren."

Kampusch sei erstaunt, dass "wieder" etwas vor der Veröffentlichung habe durchsickern können. Ihr Anwalt werde jedenfalls eine Einsicht beantragen. Natascha sei an einer Aufklärung interessiert und nach wie vor erstaunt, dass die Sonderkommission sich nicht um jene Versäumnisse kümmere, aufgrund derer sie möglicherweise nicht früher gefunden worden sei, hieß es weiter. Sie stelle sich die Frage, warum man sich nicht den Polizeifehlern widme.

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