"Verstümmelung"
EU: Tschechien soll Straftäter-Kastration beenden
Der Bericht des Anti-Folter-Komitees spiegelt jene Eindrücke wider, die das Komitee bei einem kurzfristigen Besuch in Tschechien im Frühjahr 2008 gewonnen hat. Dabei wurden mehrere geschlossene psychiatrische Kliniken und Gefängnisse inspiziert. Hauptziel des Besuches war es, die Anwendung der sogenannten "chirurgischen Kastration" auf verurteilte Sexualstraftäter zu untersuchen.
Dafür wurden unter anderem Gespräche mit bereits kastrierten Straftätern, Medizinern, Wissenschaftlern und Regierungsmitgliedern geführt sowie Akten von 41 Straftätern, die zwischen 1998 und 2008 kastriert worden waren, in die Untersuchung miteinbezogen.
Auch Exhibitionisten werden kastriert
Die Delegation schreibt in dem Bericht, dass die Kastration nicht nur an gewalttätigen Sexualverbrechern durchgeführt würde, sondern auch an solchen Tätern, die keine Gewaltverbrechen ausgeübt hätten, wie beispielsweise Exhibitionisten. In ihrem Bericht äußert das Komitee Bedenken darüber, die Kastration als Form der Behandlung von Sextätern zu verwenden: Der Eingriff bringe körperliche Auswirkungen mit sich, die unumkehrbar wären sowie direkte oder indirekte seelische Beeinträchtigungen.
Weiters gebe es keine Garantie dafür, dass das erhoffte Ergebnis - die Senkung des Testosteronhaushalts - von Dauer sei. Es sei außerdem fragwürdig, ob die Gefangenen über die Folgen des Eingriffs immer informiert sein würden und die Zustimmung dazu ohne Zwang erfolge. Das Komitee hebt in ihrem Bericht hervor, dass es auch andere Therapieformen für Sexualverbrecher gebe.
"Verstümmelnder Eingriff"
Die Delegation begründet ihre Aufforderung an die tschechische Regierung, die Kastration zu stoppen, mit folgenden Worten: "Chirurgische Kastration ist ein verstümmelnder, nicht rückgängig zu machender Eingriff und kann nicht als eine medizinische Notwendigkeit in der Behandlung von Sexualstraftätern gesehen werden. Der Eingriff verhindert die Möglichkeit auf Fortpflanzung und verursacht ernstzunehmende körperliche und seelische Schäden."
Tschechien verteidigt Kastrationsprogramm
Die tschechische Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz innehat, wies die Kritik zurück: In einer Stellungnahme berief sie sich am Donnerstag darauf, dass die Kastrationen nur mit Zustimmung der Gefangenen und Empfehlung einer Expertenkommission durchgeführt würden. In den vergangenen zehn Jahren wurden nach Angaben des tschechischen Gesundheitsministeriums 94 Sexualstraftäter operativ kastriert. Mehr als 300 seien einer libido-unterdrückenden medikamentösen Behandlung, der sogenannten "chemischen Kastration" unterzogen worden.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.