Millionenbetrug

Neue brisante Details zu Betrugsskandal

Österreich
03.02.2009 10:58
Im Betrugsskandal rund um illegale Überweisungen eines Beamten der Bundesbuchhaltungsagentur (kurz: BHAG) sind am Montag weitere Details bekanntgeworden. Wie BHAG-Sprecher Gerhard Pölzl bestätigte, hatte der Beamte seiner Vorgesetztenfunktion benutzt, um das Vertrauen einer Kollegin zu missbrauchen und die Zahlungen zu tätigen. Brisant sind die Vorwürfe des grünen Sozialsprechers Karl Öllinger: Laut Öllingers Unterlagen soll das Arbeitsmarktservice bereits im November über die Malversationen "informiert" gewesen sein. AMS-Vorstand Johannes Kopf bestritt dies am Montag. Man habe damals eine "mysteriöse Fehlbuchung" entdeckt und daraufhin das Wirtschaftsministerium informiert.

Öllinger legte am Montag einen aus September 2008 stammenden Auszug eines angeblich geheimen Bankkontos vor, das der "Venetia"-Geschäftsführer angelegt habe, nachdem sein offizielles Geschäftskonto gepfändet worden war. Darauf vermerkt ist eine Teilzahlung "nationale Mittel/AMS Wien" in Höhe von 1,155 Mio. Euro. Er habe das Arbeitsmarktservice von der Zahlung im November informiert, so Öllinger. "Soweit ich weiß, wurde vom AMS auch das Wirtschaftsministerium auf diese Zahlung aufmerksam gemacht."

Der grüne Abgeordnete meint, dass die Zahlungen in Höhe von mehr als 16 Millionen Euro zumindest im Zeitraum von Juli 2007 bis November 2008 geflossen sind. Er nehme allerdings auch an, dass auch nach der Information ans AMS im November weitere Gelder an das private Schulungsinstitut überwiesen wurden. Zusätzlich soll der Beamte der "Venetia" auch gefälschte Schuldverschreibungen in Höhe von 43 Millionen Euro ausgestellt haben. Mit den Papieren soll vorgegaukelt worden sein, dass das AMS bei der "Venetia" offene Verbindlichkeiten hat. Öllinger vermutet, dass zumindest versucht worden ist, die wertlosen Schuldscheine auch an Dritte weiterzuverkaufen. Geschädigte könnten in so einem Fall Schadenersatz von der Republik verlangen, so der Grüne.

Die "Venetia" sei seit 2007 zahlungsunfähig gewesen, so Öllinger. Gläubiger waren unter anderem Trainer, denen die Honorare nicht ausbezahlt wurden. Immer wieder sei vom Handelsgericht jedoch eine Fristerstreckung für die Konkurseröffnung genehmigt worden. Zuletzt habe der Geschäftsführer am 10. Jänner dem Gericht glaubhaft machen können, ihm stehe ein Kredit der Hypo-Alpe-Adria in Aussicht. Die Bank wurde laut Öllinger angesichts der Schuldscheine allerdings misstrauisch und verständigte die Bundesbuchhaltungsagentur.

Getätigt wurden die illegalen Zahlungen über Telebanking. Dafür sind gemäß eines Vier-Augenprinzips die Sicherheitscodes zweier Personen notwendig. Dabei dürfte der Beamte das Vertrauen seiner Kollegin missbraucht haben. Grundsätzlich habe "jede Aufsicht und Kontrolle nicht nur bei der 'Venetia', sondern auch bei der Bundesbuchhaltungsagentur versagt", meint Öllinger dazu. 

AMS: "Mysteriöse Überweisung"
Das Arbeitsmarktservice bestätigte am Montag, dass bereits im November Ungereimtheiten aufgetaucht waren, bestritt jedoch, dass man "informiert" gewesen sei. Nach Darstellung von AMS-Vorstand Kopf ist das AMS damals von einem Steuerprüfer eines Unternehmens auf eine "mysteriöse Überweisung" der Buchhaltungsagentur im Auftrag des Arbeitsmarktservice angesprochen worden. Auf Nachfrage habe die Agentur damals erklärt, es handle sich um eine Fehlbuchung. Im AMS habe man sich damals geärgert, weil jede Buchung eigentlich vom AMS genehmigt werden müsse, sagte Kopf. Da die Erklärungen der Agentur nicht wirklich schlüssig gewesen seien, habe das AMS schließlich seine Aufsichtsbehörde (Wirtschafts-/Arbeitsministerium) informiert.

BHAG stoppt Telebanking für Auszahlungen
Von Seiten der Buchhaltungsagentur hieß es am Montag, man habe den Verdächtigen schon beim ersten Verdacht suspendiert und eine umfangreiche Anzeige an die Staatsanwaltschaft eingebracht. Als erste Reaktion habe man Telebanking für Auszahlungen ab sofort gestoppt. Weitere Änderungen seien geplant. So soll statt des Vier- ein Sechs-Augenprinzip eingeführt werden. Es werde eine interne Revision durchgeführt, eine externe überlege man sich ebenfalls.

Auf den Rechnungshofbericht, der im November 2008 das Telebanking als Sicherheitslücke bezeichnet hatte, habe man bereits reagiert: Seit Dezember würden 90 Prozent aller Überweisungen in der Buchhaltungsagentur nicht mehr mit Telebanking durchgeführt, sagte der Sprecher. Das aktuelle Problem habe mit der damaligen vom RH kritisierten Sicherheitslücke nichts zu tun. Auch die Einführung eines Sechs-Augenprinzips wird überlegt.

Korruptionsstaatsanwaltschaft könnte Fall übernehmen
Bereits am Samstag sind der BHAG-Beamte und der Geschäftsführer der "Venetia" festgenommen worden. Die Ermittlungen in dem Fall könnte die Korruptionsstaatsanwaltschaft übernehmen, eine Entscheidung darüber soll am Dienstag fallen. Im straflichen Sinne handle es sich um ein Amtsdelikt, begründete diese Überlegung Gerhard Jarosch, Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft. Auch wenn es sich um eine ausgegliederte Agentur des Bundes handle, sei eine Behörde betroffen. Damit gehe es zumindest um Untreue unter Ausnützung der Amtsstellung, wenn nicht sogar um Amtsmissbrauch.

Ob die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die erst mit 1. Jänner ihren Dienst aufgenommen hat, die Ermittlungen tatsächlich übernehmen wird, entscheidet die Oberstaatsanwaltschaft. Auch wenn das Delikt vor der Installierung der Sonder-Anklagebehörde stattgefunden habe, könne das Verfahren dorthin übertragen werden, erklärte Jarosch. Gegen die beiden Verdächtigen wurde ein Antrag auf U-Haft gestellt, über den jetzt die Richter entscheiden müssen.

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