Nach Fehlurteil

Schwere Vorwürfe gegen Psychiater Max Friedrich

Österreich
09.09.2008 12:16
Der renommierte Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich muss nach einem offenbar unsorgfältig erstellten Gerichtsgutachten und einem deswegen wiederholten Strafprozess um seinen Ruf bangen. Der Arzt, der Natascha Kampusch nach ihrer Flucht betreute, soll mit einer Expertise maßgeblich dazu beigetragen haben, dass ein Kärntner Familienvater 22 Monate unschuldig wegen angeblichen Kindesmissbrauchs hinter Gittern saß. Jetzt wird bekannt, dass der 63-Jährige offenbar schon seit längerem richterlichen Vorbehalten ausgesetzt ist. Unter anderem sei es sein autoritärer Befragungsstil bei jungen Opfern, wegen dem Friedrich kaum mehr als Gutachter beigezogen werde.

Friedrich hatte mit einem Gutachten vor mehr als zwei Jahren zur Verurteilung eines offenbar schuldlosen Kärntner Familienvaters beigetragen. Der Mann saß 22 Monate wegen angeblichen Missbrauchs an seiner Stiefochter in Haft, ehe ein deutscher Psychiater starke Zweifel an Friedrichs Expertise, auf die im Richterspruch eingegangen wurde, anmeldete.

Der renommierte Psychiater soll darin durch Suggestivfragen und sogar vorgefertigte Antworten die Aussagen des damals vierjährigen Mädchens beeinflusst haben. Der vermeintliche Kinderschänder - mit ihm war sein Schwiegervater, gegen den sich die Ermittlungen zuerst gerichtet hatten, verurteilt worden - kam im Rahmen einer Wiederaufnahme des Verfahrens frei. Laut Informationen der Austria Presse Agentur ist Friedrich schon seit längerem richterlichen Vorbehalten ausgesetzt. Die Richter wollen anonym bleiben.

„Mit Kindern ist er nicht der Richtige“
An den Landesgerichten Wien und Klagenfurt werde Friedrich in Fällen von Kindesmissbrauch schon seit Jahren nicht mehr als Gutachter beigezogen, heißt es. Man würdige zwar die Verdienste des Vorstands der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes-und Jugendalters im Wiener AKH und zweifele grundsätzlich auch nicht an seinen Expertisen. „Er ist sicher eine Kapazität auf seinem Fachgebiet. Aber für die Befragungssituation mit Kindern ist er nicht der Richtige“, so ein auf Sexualstrafsachen spezialisierter Richter, der anonym bleiben möchte.

Die Vorbehalte gegen Friedrich im Detail: Einerseits soll sich dieser - so die Vorwürfe der Richter - für seine Befragungen mit möglichen kindlichen Opfern zu wenig Zeit genommen haben und mitunter nicht ganz bei der Sache gewesen sein, wenn sein dicht gedrängter Zeitplan den nächsten Termin näher rücken ließ. Auch ein zu autoritäres Auftreten wird Friedrich offenbar nachgesagt. „Er hat sich den Kindern immer gleich als Professor vorgestellt. Er war nie der Kumpel, was Sinn gemacht hätte. Er war der Professor. Das prägt natürlich die Befragung“, hieß es.

Gutachten „an und für sich immer gleich gelesen“
Sowohl in Klagenfurt als auch in Wien wird Friedrich offenbar „angekreidet“, dass sich seine Gutachten „an und für sich immer gleich gelesen“ hätten. Die vom Gericht an ihn gestellten Fragen nach Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit der angeblich missbrauchten Kinder habe er durchwegs bejaht und sei dabei "zu kindergläubig" erschienen. Die rechtliche Komponente habe er demgegenüber zu wenig abgefragt. Friedrich war am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Den Fall des Kärntner Familienvaters kommentierte er mit einem Verweis auf das „schwebende Verfahren“. Ob ein Angeklagter verurteilt werde, sei immer noch Sache des Richters und der Schöffen.

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