Kurden im Visier

Türkei: Immunität für Parlamentarier aufgehoben

Ausland
20.05.2016 13:40

Das türkische Parlament hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt. Für den Kern des Vorstoßes der regierenden islamisch-konservativen AKP votierten 373 der 550 Abgeordneten in Ankara. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die Fraktion der prokurdischen HDP.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft den HDP-Abgeordneten vor, der "verlängerte Arm" der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Erdogan hatte ausdrücklich dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben. Kritiker werfen ihm vor, er wolle die HDP politisch ausschalten, um die dann frei werdenden Mandate für seine AKP zu gewinnen.

Nicht nur kurdische Abgeordnete betroffen
Die einmalige Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten geschieht über eine befristete Verfassungsänderung. Konkret wird mit der vorübergehenden Verfassungsänderung ein Satz aus Artikel 83 für jene Abgeordnete der Nationalversammlung ausgesetzt werden, denen Straftaten vorgeworfen werden. Damit ist der Weg für eine Strafverfolgung frei. Die HDP befürchtet die Festnahme von Abgeordneten ihrer Fraktion, gegen die vor allem Terrorvorwürfe erhoben werden. Parlamentarier anderer Parteien sehen sich Anschuldigungen wie etwa Amtsmissbrauch ausgesetzt.

Die 138 betroffenen Abgeordneten verteilen sich auf alle vier Parteien: Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gehören 27 zur AKP (317 Sitze), 51 zur säkularen Mitte-links-Partei CHP (133 Sitze), 50 zur prokurdischen HDP (59 Sitze), unter ihnen die Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, und neun zur ultrarechten MHP (40 Sitze). Außerdem wird der einzigen parteilosen Abgeordneten die Immunität entzogen.

Kritik im Ausland
EU-Politiker haben das Vorgehen kritisiert. Der österreichische Nationalrat verabschiedete am Donnerstag einstimmig eine Resolution, in der die Sorge um die Parlamentsarbeit der Opposition in der Türkei ausgedrückt wird. Die Bundesregierung wurde aufgerufen, in Ankara auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu dringen.

Die deutsche Regierung zeigte sich besorgt über die zunehmende innenpolitische Polarisierung in dem Land. "Für die innere Stabilität jeder Demokratie ist es wichtig, dass alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen auch parlamentarisch vertreten sind", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das Thema bei ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Montag in Istanbul ansprechen.

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