"Freitag des Zorns"

Kein Ende der Gewalt in Ägypten: Erneut Tote in Kairo

Ausland
04.02.2012 08:59
Ägypten kommt nach den tödlichen Fußball-Krawallen nicht zur Ruhe. Wütende Demonstranten belagerten auch am "Freitag des Zorns" den Sitz des Innenministeriums in Kairo, das aus ihrer Sicht für den Tod von über 70 Menschen im Stadion von Port Said verantwortlich ist. Am Abend ging ein Gebäude der Steuerbehörden direkt gegenüber in Flammen auf. Fünf Demonstranten und ein Polizist starben.

Angaben zur Brandursache in dem Gebäude der Steuerbehörde wurden vom ägyptischen Staatsfernsehen am Freitagabend nicht gemacht, Sicherheitskreisen zufolge waren aber kurz zuvor Unbekannte in das Gebäude eingedrungen, die mit Brandbomben geworfen hätten.

Vor dem belagerten Innenministerium direkt gegenüber war es den ganzen Tag immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Tausende Demonstranten warfen Steine auf das Gebäude im Stadtzentrum. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Protestierer ein, die sich immer wieder neu gruppierten. Nach Ärzteangaben erstickten zwei Menschen an dem Tränengas. Bereits am Donnerstag war ein Protestierer an den Folgen einer Schrotkugelverletzung gestorben.

Zudem stürmten im östlichen Stadtteil Al-Marg Demonstranten nach Angaben von Sicherheitskräften eine Polizeistation und befreiten Gefangene. Anschließend setzten die mit Maschinenpistolen bewaffneten Männer die Polizeistation in Brand, sagte ein Sicherheitsbeamter der Nachrichtenagentur AFP.

Auch in Suez gab es heftige Zusammenstöße. Dort waren am Donnerstagabend zwei Demonstranten erschossen worden (siehe Video in der Infobox). Die Menge habe versucht, das Polizeirevier zu stürmen. Nach Augenzeugenangaben schoss die Polizei daraufhin scharf. Am Freitag starben weitere fünf Menschen.

"Bleiben, bis wir Rechte bekommen"
Revolutionäre Jugendgruppen haben unter dem Motto "Freitag des Zorns" zu Massenprotesten gegen den regierenden Militärrat unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi aufgerufen. Die Demonstranten werfen der Junta vor, sie wolle die Macht nicht an eine gewählte Regierung abgeben. "Wir bleiben, bis wir unsere Rechte bekommen", verkündete ein 22-Jähriger, der sich nach der Arbeit am Donnerstag den Demonstranten angeschlossen hatte.

Ausgelöst hatten die Proteste Krawalle in einem Fußballstadion in der Hafenstadt Port Said, bei denen am Mittwochabend 71 Menschen getötet und etwa 1.000 verletzt wurden. Zwar gab der von den Streitkräften eingesetzte Ministerpräsident Kamal al-Gansuri erste personelle Konsequenzen bekannt - so wurden die Führung des ägyptischen Fußballverbandes abgesetzt und den Gouverneur von Port Said abgelöst -, zur Enttäuschung vieler verärgerter Parlamentarier entließ die Regierung den Innenminister jedoch nicht.

Politisch motivierte Gewalt?
Das Parlament will nun die genauen Umstände des Blutvergießens klären lassen. Ursache dafür sind nicht enden wollende Spekulationen, dass die Gewalt politisch motiviert war. Ziel sei es, die Revolution zu diskreditieren und den demokratischen Wandel zu stoppen, hieß es etwa in vielen Online-Diskussionsforen. Das Militär wolle Chaos säen, um sich als Schutzmacht unverzichtbar zu machen. Nach einer anderen Theorie wollten die Sicherheitskräfte den Al-Ahli-Fans einen Denkzettel verpassen, weil sie während des Aufstandes Demonstranten vor der Gewalt des Militärs schützten.

Muslimbruderschaft kritisiert die Polizei
Auch die islamistische Muslimbruderschaft kritisierte die Polizei scharf: Die Sicherheitskräfte hätten bei dem Fußballspiel in Port Said weggeschaut und nichts getan. Sie beschuldigte Kräfte, die in enger Verbindung zum früheren Regime von Langzeitmachthaber Hosni Mubarak stünden. Der Wiener Autohändler Hussein Barakat, der bei der ägyptischen Präsidentenwahl antreten will, sagte am Donnerstagabend in der "ZiB 24" des ORF, hinter den Gewaltexzessen stehen "hundertprozentig" die Machthaber, die sich an der Demokratiebewegung rächen wollen.

Ausschreitungen von gewaltbereiten Fans untereinander oder mit der Polizei sind in ägyptischen Fußballstadien Woche für Woche an der Tagesordnung. Aber solche Gewaltexzesse mit Toten wie nach dem Fußballspiel zwischen den rivalisierenden Klubs Al-Masri und der Gastmannschaft Al-Ahli aus Kairo hat es bisher nicht gegeben. Die Heimmannschaft hatte 3:1 gewonnen.

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