"Wollen sie nicht"

Schweizer Dorf kauft sich von Flüchtlingen frei

Ausland
31.05.2016 06:10

In der kleinen Gemeinde Oberwil-Lieli im Schweizer Kanton Aargau leben keine Flüchtlinge: Dieser Umstand ist dem örtlichen Bürgermeister jährlich knapp 290.000 Franken (rund 262.200 Euro) wert. So viel muss die Gemeinde nämlich zahlen, um sich von den zehn Asylbewerbern freizukaufen, die sie gemäß den Vorgaben des Kantons aufnehmen müsste. "Wir wollen sie hier einfach nicht", so Bürgermeister Andreas Glarner. In seiner Gemeinde leben 300 Millionäre - sie gilt daher als eine der reichsten Gemeinden Europas.

Anfang Mai hat sich die Gemeinde, die an der Grenze zum Kanton Zürich liegt, in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit (52 Prozent) dafür ausgesprochen, keine Flüchtlinge aufzunehmen. Bürgermeister Glarner von der Schweizerischen Volkspartei zeigte sich über den damaligen Entscheid "erfreut" und betonte außerdem: "Wir bleiben verschont von Asylwerbern. Das sind alles nur Sozialhilfeempfänger, die würden uns immer und ewig auf der Tasche liegen." Das Geld für die Strafen, das an die Kantonsverwaltung abgeliefert werden muss - habe die Gemeinde längst im Haushalt veranschlagt.

Bürgermeister: "Folgekosten für Flüchtlinge sehr hoch"
Bereits vor einigen Jahren ließ die Gemeinde vorsorglich zwei Immobilien abreißen, die als Sozialwohnungen hätten dienen können - oder eben als Flüchtlingsunterkünfte. "Ich mache meinen Wählern klar, dass die Folgekosten für Flüchtlinge sehr hoch sind. Denn nach fünf Jahren stoppt der Bund seine Zahlungen, und dann muss die Gemeinde zahlen", betonte Glarner.

Dorfbewohner: "Sie passen nicht hierher"
"Wir haben unser ganzes Leben lang hart gearbeitet und haben ein schönes Dorf. Wir sind nicht geeignet, Flüchtlinge aufzunehmen, sie würden nicht hierher passen", sagte auch ein Bewohner gegenüber der britischen Zeitung "Daily Mail".

Hilfe für Flüchtlinge "nur vor Ort" sinnvoll?
Kritik an der Entscheidung der Gemeinde übte der britische Ableger von Amnesty International. "Auch die wohlhabenden Gemeinden müssen Verantwortung tragen und ärmere Länder unterstützen", sagte der zuständige Flüchtlingsbeauftragte Steve Symonds. Dem konterte Glarner prompt: "Ja, Flüchtlingen muss geholfen werden, aber nur vor Ort. Wir sind jederzeit bereit, Gelder an die jeweiligen Staaten zu überweisen. Damit ist den Flüchtlingen mehr geholfen, als sie hier zu integrieren. Das wäre ein komplett falsches Signal."

Für die Aufnahme von Asylsuchenden statt Ersatzzahlungen setzte sich die Interessengemeinschaft Solidarität Oberwil-Lieli ein. "Das Dorf ist jetzt gespalten", sagte Martin Uebelhart, Sprecher der Interessengemeinschaft. Glarner müssten zur Kenntnis nehmen, dass das halbe Dorf deren Asylpolitik nicht mittrage.

"Schweiz muss sich mit Stacheldraht abriegeln"
Wie berichtet, forderte Glarner vor wenigen Wochen sogar, dass sich die Schweiz "mit einem Stacheldraht vor dem Flüchtlingsstrom abriegeln muss". Obwohl die Schweiz in der Asylkrise bekanntlich einen harten Kurs fährt, hat sie sich dazu bereit erklärt, Platz für 50.000 Migranten zu schaffen. Seit Anfang des Jahres haben Gemeinden, die keine oder zu wenige Asylsuchende unterbringen, dem jeweiligen Kanton pro Tag und Person eine Pauschale von 100 Euro zu bezahlen. Diese Pauschale deckt dem Kanton die Kosten für die Unterbringung der Asylsuchenden ab.

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