"Kein Naturrecht"

Papst will nicht mehr jeden kirchlich heiraten lassen

Ausland
23.01.2011 09:47
Wer die berühmte "Hochzeit in Weiß" samt Pfarrer und Kirchenchor haben möchte, bekommt sie auch - sofern er getauft ist und Kirchenbeitrag zahlt. Diese Selbstverständlichkeit in katholischen Ländern stellt jetzt ausgerechnet Papst Benedikt XVI. infrage. Bei seiner Rede anlässlich der Eröffnung des Gerichtsjahres im Vatikan argwöhnte der Pontifex über die hohe Zahl "leichtfertiger" Eheannullierungen und mahnte die Würdenträger, bei Eheschließungen künftig strenger zu prüfen. Denn niemand habe prinzipiell das Recht auf eine kirchliche Trauung.

Papst Benedikt XVI. hat am Samstag mit einer Ansprache vor den Mitgliedern des vatikanischen Gerichtshofes "Rota Romana" (Bild) für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Gerade in Zeiten, wo vom Bischof bis zum Dorfpfarrer alle Würdenträger in westlichen katholischen Ländern die Ehe als gesellschaftliche und soziale Institution zu erhalten versuchen, wünscht sich Benedikt eine stärkere Reglementierung. Denn nicht nur in Bezug auf die Annulierungen rief er seine Mitarbeiter zu einer strengeren Handhabung auf. Schon bei der Spendung des Ehesakraments müsse gewissenhafter vorgegangen werden, meinte Benedikt XVI.

"Oft werden Ehe geschlossen, ohne dass die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind", kritisierte der Papst laut einer Meldung der Nachrichtenagentur "KathPress".

Es sei auch ein Fehler, dass oft Ehen aufgelöst würden, obwohl alle Anforderungen erfüllt seien. "Doch das wird dann geleugnet, um so eine Annullierung zu erwirken. Sowohl eine zu einfach geschlossene Trauung als auch eine zu schnell aufgelöste Ehe sind aber ein Zeichen der Nachlässigkeit der Kirche", so der Papst. Der "Teufelskreis" aus dem "quasi automatischen Eintritt in die Ehe" und der "Annullierung allein auf der Basis des Befunds des Scheiterns" müsse unterbrochen werden.

Benedikt fordert "strenge Prüfung der Überzeugung"
Ehevorbereitungskurse würden von vielen als rein formale Pflichterfüllung gesehen, so der Papst. Weit verbreitet sei dabei auch unter den Hirten (den Pfarrern, Anm.) die Mentalität, dass sie großzügig vorgehen sollten, da das Naturrecht der Menschen auf die Ehe im Spiel sei. Die voreheliche Untersuchung dürfe aber nicht als rein bürokratische Etappe betrachtet werden. Eine strenge Prüfung der Überzeugungen der Heiratswilligen könne verhindern, dass sie "aus emotionalen Impulsen oder oberflächlichen Gründen eine Verpflichtung eingehen, die sie anschließend nicht einhalten können".

Beim "ius connubii", beim Naturrecht auf Ehe, handle es sich auch nicht um einen subjektiven Anspruch, dem die Hirten durch eine rein formale Anerkennung Genüge tragen müssten. Das Recht auf Eheschließung setze voraus, "dass man diese wirklich schließen kann und dies zu tun beabsichtigt, das heißt in der Wahrheit ihres Wesens entsprechend der Lehre der Kirche". Keiner könne ein Recht auf die Schließung der Ehe beanspruchen: "Das ius connubii bezieht sich nämlich auf das Recht, eine echte Ehe zu schließen."

Papst bekräftigt einmal mehr Ablehnung der Homo-Ehe
Einmal mehr schwor der Papst die Kirchenrichter auch auf die Position des Vatikans in Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehen ein. "Es gibt aber nur eine Art von Ehe - und zwar die zwischen einem Mann und einer Frau. Dies ist rechtlich verankert, und diese Beziehung bildet das Wesen der Ehe", betonte der Papst.

Die Aussagen Benedikts sorgten am Samstag bei vielen Kommentatoren für Überraschung, in den USA wurde breit über die Aussagen des Papstes berichtet. In den Vereinigten Staaten sei die Zahl der Eheannullierungen besonders hoch. Laut der US-Agentur Associated Press wurden in den USA im Jahr 2006 mehr Ehen annulliert als in den restlichen Ländern der Welt zusammen.

Annullierung: Einzige Möglichkeit zur Wiederheirat
Annullierungs-Prozesse sind mit Abstand die häufigsten Verfahren, mit denen es die vatikanischen Richter zu tun haben. Das päpstliche Gericht ist dabei allerdings die letzte Instanz, primär entscheidet bei Annullierungen das jeweilige diözesane Kirchengericht. Aus Sicht der Kirche wird der Ehebund dabei nicht getrennt, sondern von vornherein für nichtig erklärt. Als Begründung dafür kommt u.a. eine verschwiegene Zeugungsunfähigkeit eines Partners infrage, häufig wird eine Ehe für nichtig erklärt, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass ein Teil den Kinderwunsch des anderen nicht erfüllen will bzw. von vornherein nie erfüllen wollte.

Für trennungswillige Katholiken ist die Annullierung ihrer Ehe praktisch der einzige Weg, ein zweites Mal kirchlich heiraten zu können. Eine zivilrechtliche Scheidung wird von der Kirche nicht anerkannt. Eine gültige kirchliche Ehe scheiden kann theoretisch der Papst, ihm wird im Kirchenrecht ein derartiger Gnadenakt eingeräumt. In der Praxis kommt das aber nahezu nie vor.

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