"Jetzt losziehen!"

Merkels Willkommenspolitik erreicht Westafrika

Ausland
17.10.2015 11:51
Während der Unmut über die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel innerhalb der deutschen Koalition - und hier vor allem bei der bayrischen CSU - wächst und auch die Beliebtheit Merkels in der Bevölkerung sinkt, reicht ihr Willkommensruf an Flüchtlinge offenbar in die entlegensten Regionen der Welt. "Wir müssen jetzt losziehen!", heißt es derzeit laut der deutschen "Welt" in den Straßen der malischen Hauptstadt Bamako. Die Sogwirkung der deutschen Flüchtlingspolitik ist demnach auch in Westafrika groß, die Zahl der Ausreisewilligen steige tagtäglich.

Genau Zahlen fehlen, doch in Bamako werde an jeder Straßenecke über Einzelheiten der deutschen Flüchtlingssituation diskutiert. Vor Fernsehgeräten versammelte Stadtbewohner hören sich Nachrichten in französischer Sprache an und können es kaum glauben: Deutschland erwarte heuer bis zu einer Million Flüchtlinge bzw. sei diese Zahl willkommen, wie es in der französischen Übersetzung heißt.

"Viele glauben immer noch, Europa sei ein Eldorado"
"Mali ist nicht nur Ursprungsland für Migranten, es ist auch Transitland", sagt Bakary Doumbia, Chef der Mission der Internationalen Organisation für Migration in Bamako gegenüber der "Welt". "70 Prozent der Menschen, die Mali verlassen, sind auf der Durchreise. Sie stammen aus Gambia, dem Senegal und Guinea-Bissau. Hier glauben immer noch viele, Europa sei ein Eldorado, wo Geld auf der Straße liegt und man es nur aufheben und nach Hause schicken muss."

Aus diesem Grund müsse eine breit angelegte Aufklärung der Menschen erfolgen. Ein- oder zweimal zu sagen, dass die Reise nach Europa sehr gefährlich sei und man auch nicht garantiert eine Arbeit bekomme, reicht laut Doumbia da nicht aus.

"Seifenblasen-Empfang - diese Bilder vergisst man nicht"
Deutschland läuft zunehmend Frankreich den Rang als Traumdestination ab. Und das habe viel mit den Fernsehbildern freundlicher Deutscher zu tun, die Neuankömmlinge mit Seifenblasen, Geschenken und Applaus willkommen geheißen haben. "Das Bild vergisst man nicht", erklärt ein Malier gegenüber der deutschen Zeitung.

Laut Hilfsorganisationen verlassen rund 95 Prozent der Malier ihr Land wegen der wirtschaftlichen und politischen Lage. Vor allem im Zuge der Kriegswirren nach einem Putsch durch den arabischen Nomadenstamm Tuareg und verbündete islamistische Milizen im Jahr 2012 flohen Hunderttausende Menschen aus Mali. Auch nach Wiederherstellung der staatlichen Ordnung mit Unterstützung einer von den Vereinten Nationen gebilligten Militärintervention unter Führung Frankreichs gilt der Norden Malis als Krisenherd - immer wieder kommt es zu Anschlägen bzw. Kämpfen zwischen der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit und den Tuareg.

Freizügigkeit in westafrikanischen Staaten erleichtert Weg
Da es in den Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS eine ähnliche Freizügigkeit für Personen gibt wie im Schengen-Raum, können Ausreisewillige rasch über Ländergrenzen in der Region reisen. Weil Algerien Maliern gemäß einem Sonderabkommen bevorzugte Behandlung bei der Einreise gewährt, ist es relativ einfach, sogar bis vor die Tore Europas zu gelangen. Auf dem jahrelangen Weg dorthin verdienen viele Menschen genug Geld für eine Überfahrt auf das europäische Festland. Sollte das Geld sogar für deutsche oder französische Visa reichen, die man sich in Bamako kaufen kann, wird die Einreise legal - zumindest dem Anschein nach, denn es handelt sich natürlich um gefälschte Visa vom Schwarzmarkt.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele