London droht Union

“Damit wir in der EU bleiben, muss sie sich verändern”

Ausland
11.01.2013 13:00
Die Debatte in Großbritannien über einen weiteren Verbleib des Landes in der Europäischen Union reißt nicht ab. Nun hat der britische Finanzminister George Osborne (Bild) ein Entgegenkommen der EU zur Bedingung für ein Festhalten Londons an der gemeinsamen Politik gemacht. Er hoffe sehr, dass Großbritannien ein EU-Mitglied bleibe, "aber damit wir in der Europäischen Union bleiben, muss sich diese verändern", warnte Osborne am Freitag in einem Gespräch mit der deutschen Tageszeitung "Die Welt".

"Die britische Bevölkerung ist sehr enttäuscht von der EU, und die Menschen haben das Gefühl, dass zu viele Entscheidungen zu weit weg in Brüssel getroffen werden. Unsere Bürger fragen sich, ob Europa wirklich ihre drängendsten Probleme lösen und Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen kann", so Osborne.

Aus Sicht der britischen Regierung gefährde die engere Zusammenarbeit innerhalb der Währungsunion die Interessen der EU-Mitglieder, die nicht dem Euro angehören. "Wir begrüßen, dass der Euro gestärkt wird, aber wir wollen auch, dass die Rechte der Länder, die nicht Teil des Euro sind, bei diesen Veränderungen gewahrt bleiben", sagte Osborne.

Der konservative Politiker verknüpfte seine Forderung nach einer Reform der EU mit einem grundsätzlichen Bekenntnis zu Europa. "Europa und Großbritannien brauchen einander, unsere Volkswirtschaften sind sehr eng miteinander verflochten. Mehr als die Hälfte der britischen Exporte gehen in die EU, wir verkaufen etwa mehr nach Nordrhein-Westfalen als nach Indien", sagte er. "Aber ich will aktiver Teil einer reformierten EU sein."

London nimmt Berlin in die Pflicht
Osborne forderte auch mehr Unterstützung von der deutschen Regierung auf europäischer Ebene. "Wir haben genügend Ideen für Europa, aber häufig ist es frustrierend, dass diese Ideen nicht umgesetzt werden. Wir würden uns wünschen, dass uns Deutschland stärker darin unterstützt, diese Ideen voranzutreiben." Die britische Regierung wolle etwa die europäischen Binnenmärkte für Dienstleistungen, für digitale Dienste und Energie vorantreiben und vollenden. Auch Freihandelsabkommen mit den USA, Japan und anderen wichtigen Wirtschaftsräumen stünden auf der Wunschliste.

Die britische Regierung unter Premier David Cameron sieht sich erheblichem Druck der Europa-Gegner auch in den eigenen Reihen ausgesetzt. Zahlreiche Abgeordnete der Konservativen hatten dem Kabinett im November eine Abstimmungsniederlage im Parlament eingebrockt, indem sie mit der Opposition weitere Kürzungen im EU-Haushalt gefordert hatten. Seit damals steht das Thema der Zukunft Großbritanniens in der Union in der britischen Öffentlichkeit verstärkt an der Tagesordnung.

Spannung vor Rede Camerons
Mit Spannung wird nun eine europapolitische Grundsatzrede Camerons erwartet, die der Regierungschef angekündigt hat. Die britische Tageszeitung "The Sun" berichtete am Freitag, der Premier werde seine Rede am 22. Jänner und "fast sicher in Den Haag halten". "Der niederländische Regierungschef Mark Rutte wird Camerons Forderung nach einer Zurückübertragung von Macht und Geld an die Nationalstaaten unterstützen", schrieb das Blatt. Schließlich werde Cameron nach Verhandlungen über die neuen Zuständigkeiten den Briten ein Referendum über den Verbleib in der EU anbieten - "wahrscheinlich so gegen 2018".

EU-Granden appellieren an Briten
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte am Donnerstag in Brüssel, die Frage eines Verbleibs Großbritanniens in der EU "ist eine Angelegenheit, welche die britische Bevölkerung zu entscheiden hat". Es sei jedoch im Interesse aller, dass das Land im Zentrum des europäischen Projekts stehe. Londons besonderer Beitrag zur Union reiche demnach von der Vertiefung des Binnenmarkts über die EU-Erweiterungspolitik bis hin zur Außenhandelspolitik. Gerade in Zeiten der Krise dürfe sich Europa nicht abschotten, sondern müsse "offen für die Welt sein". Ratspräsident Herman Van Rompuy pflichtete Barroso bei: "Großbritannien ist höchst geschätzt und ein sehr wichtiges Mitglied der Europäischen Union."

USA schalten sich in Debatte ein
Indes wird auch aus den USA die Kritik an der wachsenden Distanz Großbritanniens zur EU lauter. Der im US-Außenministerium für Europa-Fragen zuständige Philip Gordon erklärte am Donnerstag bei einem Besuch in London, die Vereinigten Staaten wünschten, dass Großbritannien vielmehr eine starke Position in Europa einnehme. Das von Cameron geplante Referendum über eine EU-Mitgliedschaft halte er für "keine gute Idee". "Unsere Beziehungen zur EU als Institution, deren Stimme in der Welt an Bedeutung gewinnt, wachsen", sagte Gordon. "Wir wollen eine starke britische Stimme in der EU hören." Dies sei im Interesse der USA.

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