Aufregung um Urteil

Bohrstopp-Urteil: Richter mit Aktien von Transocean

Ausland
23.06.2010 13:47
Keine 24 Stunden nachdem Bundesrichter Martin Feldman in New Orleans das sechsmonatige Tiefseeförderungs-Verbot der US-Regierung per einstweiliger Verfügung aufgehoben hat, sieht der Richter seine Glaubwürdigkeit massiv infrage gestellt. Feldman hat, wie die Agentur AP in Gerichtsarchiven recherchierte, in der Vergangenheit in die Ölbranche investiert und dabei auch Aktien von Transocean gehalten. Dieser Firma gehörte die Bohrplattform Deepwater Horizon, deren Explosion die schlimmste Ölpest in der Geschichte der USA ausgelöst hat.

Wie aus den Verlässlichkeitserklärungen, die alle US-Richter jährlich erstellen müssen, hervorgeht, hat Feldman zumindest bis zum Jahr 2008 ein Aktienpaket von Transocean gehalten. Aktuellere Daten gibt es derzeit nicht. Das Volumen fällt laut AP unter die 15.000-Euro-Grenze, weswegen Feldman den genauen Wert nicht deklarieren musste.

Neben dem in der Schweiz ansässigen Unternehmen Transocean (im Bild links ein Bohrschiff des Plattformsbetreibers über dem Ölleck im Golf von Mexiko) hat Feldman auch in das Unternehmen Halliburton investiert, das ebenfalls auf der Unglücksplattform Arbeiten verrichtete. Aktien von BP hielt Feldman nicht.

Der Richter habe auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur nicht reagiert, daher wisse man nicht, ob die Investments noch aktuell sind, heißt es in der Meldung der Associated Press weiter. Der in der Amtszeit von Ronald Reagan ernannte Bundesrichter ist ein ehemaliger JAG-Anwalt und war sieben Jahre im Foreign Intelligence Surveillance Court tätig, wo er u.a. über Anträge zu Lauschangriffen auf Terrorverdächtige entscheiden musste. Er sei bekannt für seine strenge Interpretation der 223 Jahre alten US-Verfassung.

Rechtsprofessor: "Verbot war allgemein umstritten"
Der Strafrechtsprofessor Tim Howard von der Northeastern University bezweifelt, dass die Investments Feldmans Urteil beeinflusst haben. Das sechsmonatige Bohr-Moratorium sei in Justizkreisen allgemein umstritten gewesen. Mit Feldmans Begründung, die US-Regierung impliziere mit dem Verbot, dass wenn eine Bohrplattform explodiert, alle anderen auch gleich in die Luft gehen müssen, geht Howard konform. "Die Regierung hat mit diesem Erlass überreagiert und eine komplette Industrie stillgelegt, statt sich mit den Ursachen im Detail zu beschäftigen." Der Glaubwürdigkeit des Urteils schade es aber trotzdem, wenn ein Richter über derartige Investments verfüge.

Feldman ist aber nur einer von vielen Richtern und Staatsbediensteten in der Golfregion, die privat in die Ölbranche investiert haben und jetzt über Schuld und Verantwortung bei der Ölpest im Golf von Mexiko entscheiden sollen. Generell sind derartige Investments in Staaten wie Texas und dem derzeit am heftigsten von der Ölpest betroffenem Louisiana nichts Ungewöhnliches. Aufgrund der Tausenden anhängigen Zivil-Klagen haben US-Medien schon vor mehreren Wochen vor einer "Ölpest bei den Richtern" - krone.at berichtete - gewarnt.

Die in Philadelphia ansässige NGO "Pew Environment Group" hat am Mittwoch die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gefordert. "Wenn Richter Feldman in Öl- und Gasfirmen investiert hat, ist das ganz klar ein Interessenskonflikt", so ein Sprecher der Organisation.

Regierung will berufen - Konzerne warten noch ab
Die US-Regierung hatte noch am Dienstag angekündigt, man werde gegen das Urteil berufen und außerdem einen neuen Erlass zum einstweiligen Verbot der Tiefseeförderung im Golf von Mexiko erstellen. Dieser solle dann unmissverständlich und auch juristisch gesehen klarmachen, dass ein solches Verbot unumgänglich sei, hieß es.

Von den 32 klagenden Firmen - nicht alle sind unmittelbar aus der Ölbranche, es haben sich auch Spediteure und Firmen, die Shuttle-Services zu Bohrplattformen anbieten, beteiligt - haben sich bislang nur der US-amerikanische Öl-Multi Shell und der texanische Konzern Marathon zu der Aufhebung des Bohrstopps geäußert. Sie wollen zunächst die Entscheidung über die Berufungsverhandlung abwarten, ehe sie die Tiefseeförderung wieder aufnehmen.

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