"Krone"-Reportage

“Pumpgun-Ronny”: Die Realität war brutaler als der Film

Österreich
25.02.2010 18:16
Der gebürtige Niederösterreicher Johann Kastenberger hielt in den Achtzigerjahren als "Pumpgun-Ronny" das ganze Land in Atem. Jetzt sind die Verbrechen des Kriminellen verfilmt – der "Räuber" wird zum Helden. Doch die Realität war brutaler. "Krone"-Reporter Mark Perry erinnert sich an die Zeit, als der Gesetzlose mit der Präsidentenmaske die Schlagzeilen beherrschte...

Hundertschaften an Gendarmen durchkämmten die Wälder um Maria Enzersdorf. Die ersten wirklich kalten, düsteren Novembertage des Jahres 1988 waren angebrochen. Herbstnebelfetzen klammerten sich wie dunkle Vorboten des Bösen in den Bäumen fest.

Eine gespenstische Szenerie – wie Alfred Hitchcock oder all die anderen britischen Krimi-Regisseure sie geliebt hätten. Doch da draußen spielte sich ein echtes, ein blutiges – und letztendlich tödliches Drama ab. Der letzte Akt, die letzten Stunden im Leben eines hochgefährlichen, psychopathischen Schwerverbrechers, dem man den harmlos anmutenden Fahndungs-Spitznamen Pumpgun-Ronny verpasst hatte.

Marathon-Läufer mit Reagan-Maske
Johann Kastenberger hat in den Monaten zuvor – seit seiner Entlassung aus der Strafanstalt Krems-Stein im Jahre 1984 – Bankraub um Bankraub verübt. Immer wieder mit Pumpgun und Ronald-Reagan-Maske verkleidet. Und immer auf der Flucht – durch Wälder und eiskalte Bäche. Denn Kastenberger aus St. Leonhard am Forst in Niederösterreich hatte eines – sportliche Selbstdisziplin, die ihn zum Marathon-Läufer stählte. Bis heute hält er bei einem steirischen Berglauf-Marathon den Rekord.

So weit stimmt die Lebensgeschichte des "Räubers", wie ihn Regisseur Benjamin Heisenberg nach dem Roman von Martin Prinz in seinem Film nennt, noch. Doch dann klaffen Realität und Leinwandgeschehen auseinander. Denn der "Held" Johann Kastenberger (im Film Johann Rettenberger, dargestellt vom grandiosen Andreas Lust) ist phasenweise ein durchaus sympathischer Mensch. Einer, der versucht, seinem Schicksal davonzulaufen, der dazwischen Erika, der Liebe seines Lebens (gespielt von Franziska Weisz), begegnet und letztlich zu Tode gehetzt wird.

Doch zurück zu den dramatischen Ereignissen des düsteren Herbstes. Auch in der "Krone"-Lokalredaktion herrschte damals Ausnahmezustand. Noch mehr als sonst wurde geraucht, literweise floss Kaffee, der damalige Lokal-Chef Hannes Walter dirigierte mit der Zigarette im Mundwinkel seine Redakteure. Auch der Autor dieser Zeilen wurde mit dem jetzigen Chef vom Dienst der "Krone", Harold Pearson, an einen der Tatorte dirigiert. Doch dort war nur Dunkelheit

Zu diesem Zeitpunkt war Kastenberger bereits ein gehetztes Tier. Am 11. November wurde er dann gefasst und gestand im Verhör einen kaltblütigen Mord: Kastenberger war am 12. August 1985 ins Haus des 28-jährigen Ewald Pollhammer aus Mautern eingedrungen. Schockierendes Motiv für die Bluttat – das Opfer hatte im Umschulungskurs für Schlosser geraucht. Den Sportler Kastenberger hatte das so gestört, dass er den Mann erschoss. Bis heute gilt Kastenberger als Hauptverdächtiger in drei weiteren Mordfällen, die zwischen 1984 und 1988 verübt wurden. Die Opfer waren eine Tankwartin, ein Polizist und eine Prostituierte.

Einsames Ende auf der Westautobahn
Auch der Mord an Pollhammer wäre beinahe ungesühnt geblieben. Denn Lebensgefährtin Veronika J. gab Kastenberger ein Alibi, das über Jahre hielt. Erst anonyme Hinweise brachten die Ermittlungen wieder auf Touren. Der achtfache Bankräuber – er hatte bei seinen Coups 6,3 Millionen Schilling erbeutet – wurde verhaftet, konnte aber durch einen waghalsigen Sprung aus dem ersten Stock beim Verhör in Wien fliehen. Nach einer Verfolgungsjagd auf der Westautobahn erschoss sich der 30-Jährige mit einer zuvor erbeuteten Gendarmerie-Dienstwaffe.

Im Film verblutet Pumpgun-Ronny nach einem Messerstich – auch auf der West. Kastenberger wird zum einsamen Helden mit berührenden menschlichen Zügen. Die der echte Kastenberger seinen Opfern gegenüber nie zeigte...

Von Mark Perry, Kronen Zeitung, und krone.at

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