"Pressestunde"

Faymann für Volksentscheid über Heer, aber nicht EU

Österreich
26.06.2011 13:40
Fragen zu den Themen Griechenland und EU, Bildungsreform und Bundesheer hat sich Bundeskanzler Werner Faymann am Sonntag in der "Pressestunde" gestellt. Die Debatte ums Aufsteigen mit drei Fünfern sei "schlecht erklärt", meinte der SPÖ-Chef. In Sachen Griechenland-Hilfe und Wehrpflicht bekräftigte er seine Pro- bzw. Kontra-Haltung. Während Faymann bei der Wehrpflicht aber auf eine Volksbefragung drängt, will er die Österreicher über die kommende EU-Vertragsänderung aufgrund des permanenten Euro-Rettungsschirms nicht abstimmen lassen.

"Ich bin für die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, ich bin für ein Berufsheer", erklärte Faymann in der Interviewsendung des ORF. Den Koalitionspartner wolle er allerdings nicht in dieser Sache überstimmen, denn das würde die Regierung beenden. Daher spreche er sich für eine Volksbefragung am Wahltag 2013 aus.

"Kein geänderter Reformvertrag"
Eine Volksabstimmung über den ab Mitte 2013 geplanten permanenten Stabilitätsmechanismus ESM, der den vorläufigen Euro-Krisenfonds EFSF ablösen soll, hält Faymann hingegen nicht für erforderlich. Es gehe nämlich nicht um eine grundlegende Änderung des Vertrags: Geändert werde nur "ein Satz - das ist kein geänderter Reformvertrag", meinte Faymann unter Verweis auf sein 2008 abgegebenes Versprechen, über künftige Vertragsänderungen das Volk entscheiden zu lassen. Der ESM-Passus komme im Übrigen nur deshalb überhaupt in den EU-Vertrag hinein, weil das die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Hinblick auf die nationale Gesetzeslage verlangt habe. Die Mehrheit der EU-Staaten habe erklärt, sie bräuchten diese Verankerung nicht, so der Kanzler.

Da der neue Passus erst im Jänner 2013 zu ratifizieren sei, gebe es für einen Parlamentsbeschluss in Österreich noch bis Herbst 2012 Zeit - ausreichend, um auch Oppositionsparteien von der Notwendigkeit zu überzeugen. Diese Woche wehte Faymann diesbezüglich allerdings ein harter Wind entegegen. Da FPÖ und BZÖ der Koalition in dieser Frage ziemlich sicher keine Verfassungsmehrheit beschaffen werden, bleiben nur die Grünen. Die Oppositionspartei stellte aber eine Reihe an Forderungen, für deren Erfüllung sich die Bundesregierung in Brüssel ordentlich gegen den Wind stemmen müsste (siehe Infobox).

"Wir lügen die Leute nicht an"
Über eine Pleite Griechenlands oder einen Schuldennachlass wollte Faymann am Sonntagvormittag reden. So etwas "soll man sich nicht wünschen". Besser wäre es, wenn Athen den "Gordischen Knoten" lösen könne, nämlich sparen, die Steuereinnahmen erhöhen, Schulden zurückzahlen und in seine Wettbewerbsfähigkeit investieren. Eine Staatspleite für Griechenland könne er nicht ausschließen, da er nicht wisse, ob die Bevölkerung den Sparkurs mitträgt. Griechenland habe über Jahrzehnte nötige Maßnahmen nicht getroffen und habe deshalb nun "alle Sorgen zugleich".

Auch Österreich sei mit Haftungen und Krediten Risiken eingegangen, habe aber noch nichts verloren, bekräftigte der Kanzler und kritisierte zugleich jene, die das Gegenteil behaupten. Oft würden die Menschen nämlich meinen, dass unkontrolliert Geld weitergegeben werde: "Viele glauben sogar, wir hätten dort schon Geld verloren." Was bisher an Krediten und Haftungen gegeben wurde, sei zwar "ein Risiko, aber noch nicht abgeschrieben". Da noch kein Verlust eingetreten sei, würden alle dazu genannten dreistelligen Millionen- und sogar Milliarden-Beträge "nicht stimmen", so Faymann

"Wir legen den Leuten auf den Tisch: Was ist gelöst, was ist nicht gelöst. Wir lügen die Leute nicht an", betonte der Bundeskanzler zu den Griechenland-Hilfen. Was FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache vorschlage - aus der EU austreten oder nicht mehr weiter zahlen -, halte er für einen Unsinn, denn das würde einen Austritt aus Euro und EU bedeuten. "Raus aus allem" seien "hetzerische Forderungen".

Steuerreform für 2013 "guter Punkt"
Zur Bildungsdebatte um die modulare Oberstufe meinte Faymann: "Das ist ein klassischer Fall von schlecht erklärt." Es gehe nicht darum, mit Fünfern aufzusteigen und die Sache zu vergessen, sondern das jeweilige Modul nachzumachen.

Innenpolitisch kam die Debatte in der "Pressestunde" noch auf das Thema Steuerreform, über das derzeit wieder verstärkt diskutiert wird. Faymann erklärte, er halte an seinen Steuerreformplänen noch in dieser Legislaturperiode fest. "Es wäre in dieser Legislaturperiode ein guter Punkt, 2013 wieder eine Steuerreform zu machen", sagte der SPÖ-Chef. Beim Koalitionspartner orte er zumindest keine gänzliche Ablehnung. "Die ÖVP hat von anfänglich 'reden wir gar nicht' zu detaillierten Plänen umgestellt", sagte er in Bezug auf die Ideen von Finanzministerin Maria Fekter. "Ich sehe diese Umstellung positiv." Faymann verwies darauf, dass Österreich laut OECD Schlusslicht bei den Steuern auf Vermögen sei.

Trotz Uneinigkeit auch bei der Wehrpflicht verteidigte Faymann die Große Koalition – auch für die Zukunft: denn ein "starkes Zentrum in diesem Land" könne auch 2013 weit über 50 Prozent erlangen.

Scharfe Kritik der Opposition an Griechenland-Sagern
Die Reaktionen auf Faymanns Auftritt konzentrierten sich vor allem auf das Thema Griechenland: FPÖ-Obmann Strache gab dem Regierungschef "mehr als drei Nicht genügend" zum Thema Griechenland. Faymann solle die realistischere Variante eines Scheiterns der Griechenlandhilfe in Erwägung ziehen und "die Leute nicht anschwindeln". Faymanns Ansicht, dass die Implementierung des ESM keine Vertragsänderung bzw. EU-bedingte Verfassungsänderung sei, teilt Strache nicht. Für die abgelehnte Volksabstimmung gebe es somit ein weiteres "Nicht genügend".

Aus Sicht von Grünen-Chefin Eva Glawischnig "verschließt Faymann die Augen vor der Realität", wenn er die budgetäre Situation Griechenlands schönrede. Das Land sei nicht bloß illiquid, sondern teilinsolvent. Daher führe an einem Schuldennachlass nichts vorbei, um die griechische Volkswirtschaft wieder auf tragfähige Basis zu bringen. Nur so müssten und könnten Banken, "die bisher von den fetten Zinsen profitiert haben", auch an der Last beteiligt werden.

BZÖ-Chef Josef Bucher meinte, der SPÖ-Kanzler habe der ÖVP-Finanzministerin Fekter widersprochen, die ständig garantiere, dass das nach Griechenland überwiesene Geld samt Zinsen wieder zurückfließe. Denn Faymann habe in der "Pressestunde" nicht versprechen können, dass die Milliarden Steuergeld, die nach Athen überwiesen worden seien, je wieder zurückgezahlt würden. Von Faymann und Fekter forderte Bucher in einer Aussendung deshalb "endlich Klarheit sowie einen sofortigen Zahlungsstopp".

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