krone.at-Interview

Pichlmann: “Will Ruf als Jolly Joker in Serie A auskosten”

Fußball
24.02.2012 22:18
Ein freundliches Wort hier, ein Autogrammwunsch da, ein herzhafter Schulterklopfer dort und dann noch eine Bitte um ein Foto mit einem jungen Mädchen - Thomas Pichlmann ist in Verona ein gefragter Mann, das sieht ein Blinder. "Pichi" hat mitgeholfen, den italienischen Meister von 1985, Hellas Verona, in die Serie B hinaufzuschießen und heuer sogar vom Aufstieg in die Serie A träumen zu lassen. Mit krone.at sprach der Wiener über seinen Ruf als Jolly Joker der Liga, die Gefahren im italienischen Fußball und seine Zurückhaltung beim Thema Nationalteam.

krone.at: Buongiorno, Thomas. Vor Kurzem bist du zu einem der elf besten Legionäre in Italiens Serie B gekürt worden, giltst demnach als zweitbester stürmender Ausländer – wie fühlt man sich derart hochgelobt?
Thomas Pichlmann: (lacht) Grundsätzlich einmal gut. Wir spielen um den Aufstieg, persönlich hab' ich nach einer Verletzungspause meine Tore geschossen und die Situation ist die, dass natürlich Hellas Verona in der zweiten Liga ein Topklub ist und somit jedes Tor doppelt zählt. Es ist auch in Österreich leichter, ins Team des Jahres zu kommen, wenn man bei Rapid spielt statt bei Mattersburg.

krone.at: So voll des Lobes für dich war man in Österreich nur selten. Einmal abgesehen von Leoben (zweite Liga) und Pasching (dritte Plätze 2004 und 2006) - wieso hat es denn bei den Großklubs Rapid und Austria nicht geklappt?
Pichlmann: Also bei Rapid war ich damals noch sehr jung, da gab es eine andere Philosophie und der Roman Wallner war der junge Aufstrebende, an dem ich nicht vorbeigekommen bin. Ich habe einen anderen Weg gefunden und über Pasching bin ich dann zur Austria, einem anderen Großklub, gekommen, wo natürlich meine Zielsetzung war, ins Nationalteam zu kommen – damals war immerhin auch die Europameisterschaft noch ein Thema. Ich war dort allerdings praktisch ein ganzes Jahr lang verletzt - das war sicherlich ein Mitgrund dafür, dass es nicht geklappt hat.

krone.at: Sehen wir es mal so: Ohne den notgedrungenen Abgang von der Austria wärst du wohl nicht nach Italien gewechselt. Wie kam es eigentlich damals dazu?
Pichlmann: Ich hab' schon, als ich noch bei Pasching war, bei Bologna einen Vorvertrag unterschrieben, der Wechsel ist allerdings an der Ablösesumme gescheitert. Später dann war der einstige Manager von Bologna in Grosseto, er kannte mich noch und lud mich, obwohl ich so lange verletzt gewesen bin, zu einem Probetraining ein, da ich in Italien einmal interessant gewesen war. Im Endeffekt hab' ich mich dort in einer Woche empfehlen können und sie haben sich entschieden, mich einmal für ein halbes Jahr auszuprobieren. Und auch da hab' ich überzeugt – bis ich dann eben von Verona gekauft worden bin.

krone.at: Kritiker werden jetzt einwenden, dass du ja "nur" in der zweiten Liga deine Tore machst. Von daher: Wie ist das Niveau der Serie B einzuschätzen? Vor allem im Vergleich zur österreichischen Bundesliga…
Pichlmann: Naja, ich brauch' jetzt nicht etwas groß in den Himmel reden. Die Serie B ist die zweite Liga von Italien, ist wahrscheinlich von der Qualität her genauso, wie die zweite Liga von Deutschland, England oder Spanien, das sind halt die Topnationen. Aber ich denke einmal, es ist auch in diesen Ligen für einen Österreicher nicht leicht, sich zu behaupten. Mir ist es gelungen, ich habe viele Tore geschossen. Im Endeffekt ist es allerdings schwierig, die Ligen zu vergleichen. Denn in Italien wird immer das gleiche vom Taktischen her gespielt, in erster und zweiter Liga.

krone.at: "Er ist hinter Ferrari, Berrettoni, Bjelanovic und Gomez als fünfter Stürmer in die Saison gestartet und hat sich seine Spielminuten durch wichtige Tore erkämpft", hieß es in der Laudatio zu deiner Wahl in die Legionärs-Elf der Serie B. Ist die darin angesprochene Joker-Rolle im Hellas-Team nicht ein kleiner Wermutstropfen bezüglich der heurigen Saison?
Pichlmann: Nun, in Italien wird extrem viel Wert darauf gelegt, wie oft man im Endeffekt trifft und was deine Statistik ist. In Grosseto habe ich in meinem ersten Jahr von meinen zwölf Toren sechs oder sieben auch als Einwechselspieler geschossen. Und bekam quasi den Ruf des Jolly Jokers. In dem Jahr war ich der stärkste Einwechselspieler der Saison und wenn man mal einen Namen bekommt, wird man den nicht mehr so schnell los. Im zweiten Jahr war ich dann hinter Pinilla Zweitbester unseres Teams und hab' zehn Tore geschossen – immer wieder als Wechsel- und Stammspieler. So schieße ich meine Tore mit dem Ruf im Hintergrund, dass ich von der Bank und auch als Stammspieler meine Tore mache. Heuer hab' ich von meinen fünf Toren auch wieder drei als Einwechselspieler geschossen. Und das ist sicher ein Mitgrund, warum ich diesen Titel hab': Weil eben nicht viele diese Qualität haben, dass sie, wenn sie reinkommen, auch treffen.

krone.at: Was fehlt denn zu einem Stammplatz?
Pichlmann: Ich habe jetzt in Italien vier Jahre lang jedes mal die zweitmeisten Tore meiner Teams geschossen. Wenn wir mit zwei Stürmern gespielt haben, war ich daher Stammspieler, wenn wir nur mit einem Stürmer gespielt haben, war ich eben Zweiter. Ganz einfach. Also ich brauch' mich jetzt nicht irgendwie weder gut noch schlecht reden, es ist eben so, wie es ist. Und die Tatsache ist die, dass ich den Ruf habe, als Joker ab der 60. oder 70. Minute noch Entscheidendes drehen zu können. Ich glaube, daher fällt die Entscheidung des Trainers oft gegen mich, vom Stammplatz her.

krone.at: Der italienische Fußball gilt allgemeinhin als sehr taktikfixiert, im Gegensatz zum österreichischen. Dessen oberster Vertreter war als Teamchef Didi Constantini, dem nachgesagt wird, Taktik für überbewertet zu halten. Erlebt ein frisch aus Österreich kommender Kicker somit hier nicht einen Kulturschock?
Pichlmann: Es war damals sehr lustig, als ich gekommen bin. Ich war ja anfangs bei Grosseto zweiter Stürmer hinter Tomas Danilevicius, den werden die meisten vielleicht kennen, weil er für Litauen einmal einen Doppelpack gegen Österreich geschossen hat. Der Trainer hat damals zu mir gesagt: "Du sprichst kein Wort, ich kann dir so nichts lernen, aber du wirst erst einmal hinter Tomas 'Schattenlaufen'". Wir haben jeden Tag sicher eine Dreiviertelstunde bis Stunde Taktiktraining gemacht und ich bin dem echt nur nachgelaufen, damit ich lerne, wie wir verteidigen und wie wir unser System spielen. Manche sind eben Fans davon und stehen drauf. Wenn du in Italien ein 1:0 trocken über die Bühne bringst, wirst du gefeiert, weil du eben taktisch super gespielt hast. Italien wird sich nie ändern, wird immer das Land sein, das von Taktik geprägt ist. Ich hab' hier meinen Platz gefunden.

krone.at: Als du von Grosseto weggegangen bist, hatte der Klub gerade knappest einen Platz im Aufstiegs-Play-off der Serie B verpasst. Wieso hast du dir dann das Abenteuer Hellas Verona in der dritten Liga angetan?
Pichlmann: Ich hab' in diesen zweieinhalb Jahren 25 Tore geschossen, was in Italien recht viele sind. Daher hatte ich auch immer wieder das eine oder andere Angebot von anderen Vereinen, eben auch von Verona. Ich hab' dann mit meiner Familie darüber gesprochen, dass sich Hellas sehr um mich bemüht. Natürlich würde ich lügen, wenn ich abstreiten würde, dass Verona auch vom Finanziellen her ein Großklub ist. Das Gesamtpaket von Fans, Großklub, Perspektive und sonst allem hat einfach gestimmt und wir haben uns entschieden das Risiko zu nehmen: Das Risiko, nicht aufzusteigen und länger in der dritten Liga zu bleiben. Aber ich denke einmal, im Fußball muss man auch solche Aufgaben annehmen.

krone.at: Dein Klub, immerhin italienischer Meister von 1984/85, ist ja auch dank deiner Tore derzeit mittendrin im Rennen im Kampf um den Aufstieg. Was spricht deiner Meinung nach dafür, nächste Saison mit Hellas Verona in der Serie A spielen zu können?
Pichlmann: Heuer spricht sicherlich für uns, dass wir die Euphorie mitgenommen haben vom Aufstieg. Vor der Saison haben die Fans gesagt, dass man nach so vielen Jahren dritte Liga einmal die Klasse halten und nicht absteigen sollte. Jetzt ist ein Teil unserer Stärke, dass wir wissen, dass die Zuschauer uns nie auspfeifen werden, dass wir nur gewinnen können. Das macht es um vieles leichter.

krone.at: Und persönlich: Traust du dir die Serie A zu? Nicht erst einmal ist gerade in Italien eine Aufstiegsmannscch noch besseren Spielern ganz oben anzugreifen...
Pichlmann: Man weiß nie, was kommt. In Italien ist immer noch sehr, sehr viel Geld im Fußball. Hellas Verona bekommt etwa vom Fernsehtopf her 25 Millionen Euro, wenn wir aufsteigen. Natürlich kann dann immer schnell ein Verrückter kommen. Ich kann es nur abwarten. Ich habe jedenfalls bis 2014 Vertrag, für alle drei Ligen gestaffelt, weil immer das Ziel war, in die Serie A zu kommen. Und dann will ich in der Serie A meinen Ruf als "Jolly Joker" auskosten, also dass ich zwar nicht unbedingt DER Stammspieler bin, aber der beste Einwechselspieler seit drei, vier Jahren in Italien. Man wird sehen, wie hoch mein Niveau geht. Aber wir haben immerhin Parma im Cup mit 2:0 rausgeworfen. Ich denke, dass die Serie-A-Mannschaften ab Platz 10 vom Niveau her nicht viel anders sind als wir. So wie in England, Deutschland und Spanien gibt's eben die drei, vier Mannschaften, die immer über allen anderen stehen. Wer dann vom Rest besser als Team funktioniert bzw. das bessere Jahr hat, spielt im Mittelfeld oder steigt zumindest nicht ab.

krone.at: Unter Teamchef Hans Krankl hast du beinahe schon vor Urzeiten – im Februar 2005 beim Vier-Nationen-Turnier auf Zypern – zwei Mal für das Nationalteam gestürmt. Wie schätzt du die Chance dafür ein, dass zu den zwei Spielen noch weitere folgen?
Pichlmann: In Grosseto war ich das eine oder andere Mal auf Abruf, war sicherlich ein Thema und im erweiterten Teamkader. Dann bin ich in die dritte Liga gegangen und einmal komplett von der Bildfläche verschwunden. Jetzt mit Verona bessert sich das wieder, weil Verona ein interessanterer Klub auch für Österreicher ist, keine Frage. Aber ich denk' einmal, wenn du als Zweitligaspieler halb Joker, halb Stammspieler bist, ist es ganz schwer, ins Nationalteam zu kommen. Ich habe in Italien meine Karriere gemacht, ich hab' in Italien einen guten Ruf. Aber ob es dann fürs Nationalteam reicht? Wenn ich in der Serie A als Joker drei, vier, fünf Tore schieße, werde ich wahrscheinlich im Nationalteam auch gute Chancen haben, aus der Serie B heraus wird's zu wenig sein.

krone.at: Nachdem es eine Zeit lang von Österreichern in der italienischen Serie B nur so gewimmelt hat, bist du inzwischen einer von nur mehr drei Austro-Legionären. Derzeit gibt's ja nur mehr dich, Jürgen Prutsch bei Livorno und den Marcel Büchel bei Gubbio. Was muss ein Junger aus Österreich mitbringen, um in Italien bestehen zu können? Was für Fehler werden gemacht?
Pichlmann: Die Gefahr in Italien ist immer die gleiche. Wenn du nicht ein sehr gutes Jahr hast, mit dem du dir einen Namen aufbauen kannst, wirst du nach ein, zwei Jahren wieder ausgetauscht. Jedes Jahr kommen so viele Legionäre und wenn du nicht überzeugst, können sie mit dir kein Geld machen und holen den Nächsten – es ist einfach ein Geschäft. Es ist einfach alles so schnelllebig, das ist wahrscheinlich in Italien, wo mehr Geld dabei ist, noch viel härter als in Österreich oder anderen kleineren Ländern. Wenn man als Österreicher nicht gleich den Durchbruch schafft, wollen viele gleich nach Hause, weil das kennen sie und das ist vom Umfeld her leichter. Aber viele, die einmal heimkehren, werden danach nicht mehr ins Ausland kommen. Das ist nicht immer eine Qualitätssache, aber der Fußball ist eben so.

krone.at: Du bist jetzt 30 Jahre alt und naturgemäß weniger Jahre als Aktiver vor dir als hinter dir – was erwartest, was erhoffst du dir noch für den weiteren Verlauf deiner Karriere? Bleibst Du in Italien?
Pichlmann: Nein, wir haben damals bei der Austria in Wien ein Haus gekauft und sind heute noch zu Weihnachten und im Sommer zu Hause. Also wir werden sicherlich wieder einmal nach Wien zurückkehren. Ob das dann noch in einem Alter ist, in dem ich noch spielen kann, wird man sehen. Ich hab' jetzt hier bis 2014 Vertrag, dann bin ich 33 und es wird dann wahrscheinlich leichter sein, in Italien noch einmal einen Zweijahresvertrag zu unterschreiben. Aber es gibt auch immer wieder in Österreich Situationen, dass irgendwo ein Stürmer gesucht wird und dann ist vielleicht ein Spieler, der sechs Jahre in Italien gespielt hat, auch interessant. Aber das ist noch weit weg, wir werden sehen.

krone.at: Verona gilt als eine der schönsten Städte Italiens, Schauplatz von Shakespeares "Romeo und Julia", die Altstadt gilt zudem als Weltkulturerbe – interessiert dich persönlich all das geschichtlich Beladene hier eigentlich auch? Was muss ein Verona-Tourist gesehen haben, einmal abgesehen von einem Spiel von Hellas Verona hier im Marcantonio Bentegodi? Oder läuft das nur nebenher ab?
Pichlmann: Nein (lacht)! Also Romeo und Julia haben meine Frau und ich uns schon angeschaut, keine Frage. Es war vielleicht ein bisschen lang, aber es gehört einfach dazu. Generell, das ist für mich das Schöne an Italien, sie leben schon sehr das Historische. Also man hat hier sicherlich ein eigenes Lebensgefühl, es gibt eine irrsinnige Lebensqualität und die Kultur wird großgeschrieben. Ich denk einmal, in Italien gibt's viele Plätze, die etwas hergeben, aber Verona ist sicherlich einer, wo wir uns sehr wohlfühlen und uns auch vorstellen können, länger zu bleiben.

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(Bild: KMM)



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