Schellhorn vs. Klein

Für und wider: Brauchen wir eine Pensionsreform?

Wirtschaft
18.11.2017 07:33

Jedes Jahr muss der Staat viele Milliarden Euro zuschießen, um die Pensionen zu finanzieren. Die Lebenserwartung steigt weiter, das durchschnittliche Antrittsalter nur sehr langsam. In den vergangenen 20 Jahren gab es bereits unzählige Pensionsreformen. Ob unser System nachhaltig die Altersversorgung für die Zukunft sichert, gilt als heftig umstritten. Die "Krone" hat zwei Experten mit sehr unterschiedlichen Standpunkten gebeten zu erklären, warum sie für bzw. gegen eine neuerliche Pensionsreform sind.

Für Franz Schellhorn von der Agenda Austria ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. "Wir geben jedes Jahr 20 Milliarden Euro für die Pensionen aus, das ist ein Viertel der Bundesausgaben." Darin enthalten sind übrigens der Zuschuss zu den ASVG-Pensionen, die Kosten für die Ausgleichszulagen (Mindestpensionen für Menschen, die zu wenig Beiträge eingezahlt haben) und die Kosten der Beamtenpensionen.

Verhindern, dass System unfinanzierbar wird
"Seit 1970 leben wir elf Jahre länger, und die Zeit, die jemand in der Alterspension verbringt, ist von 14 auf 22 Jahre gestiegen", erklärt Schellhorn. Dass es ohne staatlichen Zuschuss nicht geht, ist auch ihm klar. Doch um zu verhindern, dass das System unfinanzierbar wird, müsse es eine Reform geben.

Eine Anhebung der Beiträge oder eine Kürzung der künftigen Pensionen lehnt Schellhorn ab. Der Hebel liegt für ihn beim Antrittsalter: "Frühpensionen müssen jedes Jahr um zwei Monate nach hinten verschoben werden." Dazu braucht es aber auch eine automatische Anpassung des gesetzlichen Pensionsalters an die steigende Lebenserwartung, wie es schon in vielen Ländern der Fall ist.

Forderung nach mehr altersgerechten Arbeitsplätzen
Dazu sei es aber nötig, dass in der Wirtschaft mehr altersgerechte Arbeitsplätze geschaffen werden, da "sind die Sozialpartner gefordert, ein Modell zu finden". Besonder ungerecht findet Schellhorn, dass Frauen mit 60 in Pension gehen müssen, weil ihnen so die besten fünf Beitragsjahre vorenthalten würden. Meist verdient man bei uns mehr, je älter man ist, was auch ein Problem sei.

Für Christoph Klein von der Arbeiterkammer haben die Reformen der Vergangenheit bereits viel bewirkt: Zur Berechnung der Pension würden nicht mehr nur die besten, sondern alle Einkommensjahre herangezogen ("lebenslange Durchrechnung"). Der Zugang zur Frühpension wurde durch höhere Abschläge massiv erschwert. Die Harmonisierung der Beamtenpensionen läuft bereits (seit der Reform 2004).

"Früher galt die Formel, dass man nach 45 Beitragsjahren mit dem Alter von 60 auf 80 Prozent der Bemessungsgrundlage kommt, heute muss man dafür 65 sein", erklärt Klein die Veränderungen. Sogar das Wifo habe festgestellt, dass die Erwerbsquote der 55- bis 60-Jährigen in Österreich von 58 auf 73 Prozent gestiegen ist, bei den 60- bis 65-Jährigen immerhin von 14 auf 25 Prozent. Klein: "Der Bundesbeitrag zu den Pensionen steigt daher seit Jahren wesentlich geringer als prognostiziert."

Gegen automatisches Hinaufsetzen des Antrittsalters
Obwohl bis 2060 die Zahl der über 65-jährigen um mehr als die Hälfte steigt, bleibt der Pensionsanteil am Volkseinkommen gleich. "Da noch etwas wegzuzwacken, produziert Altersarmut." Klein ist gegen ein automatisches Hinaufsetzen des Antrittsalters. Dieses steige ohnedies, man habe auch finanzielle Anreize für längeres Arbeiten beschlossen, die sich in den nächsten Jahren verstärkt auswirken.

Allerdings gäbe es viele Berufe, in denen Menschen ab 55 oder 60 nicht mehr weiterarbeiten können. Hier sieht er wie Schellhorn auch die Wirtschaft gefordert, mehr altersgerechte Jobs zu schaffen.

Manfred Schumi, Kronen Zeitung

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