Filzmaier-Analyse

Schlammschlacht: Krise der Demokratie?

Österreich
08.10.2017 08:00

Die SPÖ unter Bundeskanzler Christian Kern war zumindest indirekt an rassistischen und antisemitischen Inhalten auf Facebook gegen den neuen ÖVP-Chef und Hauptkonkurrenten Sebastian Kurz beteiligt. Zugleich gibt es Behauptungen, ein Mitarbeiter von Kurz habe für Informationen darüber Geld angeboten. Alle Parteien reagieren darauf so, dass man sich unter dem Deckmantel der "Aufklärung" gegenseitig Betrug und Lügen vorwirft. Doch damit ruinieren die Beteiligten das Allerwichtigste - nämlich unser Vertrauen in die Demokratie.

Die SPÖ nannte ihre Facebook-Affäre einen Tsunami. Dagegen kann nicht einmal Demosthenes etwas machen. Das war ein historischer Redner, der mit einem Stein unter der Zunge am Strand trainierte, den Lärm der Brandung zu übertönen. Unklar bleibt freilich, ob Kanzler Kern einer seriösen Krisenkommunikation entsprechend wirklich nur die Öffentlichkeit als auch die eigenen Leute umfassend informieren will.

Oder ist es Teil der Strategie, parallel dazu die allgemeine Unsicherheit mit Andeutungen zu verstärken, dass parteiinterne Informationen auf rechtswidrige Art an Journalisten gelangten und die ÖVP ebenfalls Dreck am Stecken hat?

Wähler bekommt Angst um die Demokratie
Umgekehrt wollen die Schwarz-Türkisen nun die Roten wegen des Straftatbestands der Verhetzung und nationalsozialistischen Wiederbetätigung klagen. Den Blauen als lachender Dritten werfen SPÖ und ÖVP gemeinsam vor, dass die FPÖ im April einen Imster Bezirksparteileiter ausschließen musste. Er hatte auf Facebook Adolf Hitler zum Geburtstag gratuliert. Vor wenigen Tagen folgte die Trennung von einem Tiroler Vorstandsmitglied, das Nazi-Erinnerungsstücke ausstellte. Da bekommt der Wähler quer durch die Parteifarben Angst um die Demokratie.

Trump als Vorbild für SPÖ, ÖVP und FPÖ?
Gleichzeitig gibt es von Vertretern aller Parteien eine Medienbeschimpfung, wie unrecht diese ihnen tun würden. Ja, auch reißerischer Journalismus trägt sein Scherflein zur Demokratiekrise bei. Doch warum lenken vom Kanzler abwärts Parteipolitiker so von ihren eigenen Schmutzkübeln ab? Glaubt man ernsthaft, dass die bösen Medien mit angeblichen "Fake News" am Negativimage der Parteien schuld wären? Ist ausgerechnet Donald Trump das Vorbild von SPÖ, ÖVP und FPÖ? Irgendwie sieht es aufgrund des Verhaltens von Parteimenschen - mit emotionalen Auftritten als Rundumschlag statt sachlicher und auf den konkreten Fall bezogener Kritik - danach aus.

Unabhängig vom Wahlergebnis stehen daher leider ein paar Studienresultate bereits fest. Es haben 80 bis 90 Prozent der Österreicher wenig oder gar kein Vertrauen in die Politik. Bis zu zwei Drittel meinen, dass alle Parteien ihre Stimmen fangen wollten und sich nicht für Anliegen der Wähler interessierten. Hunderttausende stimmen der Aussage nicht zu, dass eine Demokratie die beste Staats- und Regierungsform wäre. Wann werden alle Parteien, egal, von welcher Farbe, diesen Datenbefund endlich ernst nehmen?

Peter Filzmaier

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