Das freie Wort

Lust oder Qual?

Frau Conny Bischofberger ist ja bekannt für ihre charmante und kompetente Art, Interviews zu führen. Jenes zum 75. Geburtstag von Altkanzler Dr. Wolfgang Schüssel war wieder eine Meisterleistung. Herr Schüssel war sehr gesprächig (im Gegensatz zur Kanzlerschaft) und hat bisher unbekannte Details preisgegeben. Wie man aber bekanntlich weiß, hat jedes Ding (Mensch) zwei Seiten. Beim Namen Schüssel gibt es Tausende Pensionisten, denen es die Zornesröte ins Gesicht treibt, diese Gruppe hat bis zu 300 Euro im Monat bei der Pension verloren. Ferner hat er unnötigerweise den EU-Beitrag, den Österreich leistet, verdoppelt. Von der bis heute undurchschaubaren Eurofighter-Beschaffung gar nicht zu reden. Dass ihm nichts nachzuweisen war (und ist), hat er durch Abwürgen der U-Ausschüsse verhindert. Ganz arg hat er es aber mit den Wahlversprechen getrieben. „Wenn ich Dritter werde, gehe ich in Opposition“ ist mir noch gut in Erinnerung. Was daraus geworden ist, ist ja bekannt. Dass er das Amt des Staatspräsidenten nicht anstrebt, lassen wir einmal so stehen. Natürlich ist er ein echter Schwarzer, der die türkise Umfärbung zur Kenntnis nimmt, das ist aber schon alles. Inwieweit er den amtierenden Kanzler und Parteiobmann Sebastian Kurz „lenkt“, werden wir nie erfahren. Lust oder Qual? Das Leben braucht beides. Beim Altkanzler wird sicher die Lust im Vordergrund stehen. Bei der Bevölkerung sicher die Qual durch die Entscheidungen, die er (teilweise im Alleingang) getroffen hat. In seiner Kanzlerschaft wurde er als „Schweigekanzler“ bezeichnet, möge er diese Eigenschaft auch für die Zukunft beibehalten.

Josef Bauer, St. Stefan ob Leoben

Erschienen am Di, 2.6.2020

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