Bei den deutsch-französischen Ideen für den Wiederaufbau nach der Coronakrise geht es auch um die Zukunftsfähigkeit der EU. Jetzt ist Kompromissfähigkeit gefragt – und Österreich hat hier als Brückenbauer eine besondere Rolle. Gemeinsame Gestaltungskraft statt nationale Alleingänge – darum geht es in der deutsch-französischen Initiative von Angela Merkel und Emmanuel Macron für ein europäisches Wiederaufbauprogramm. Das ist die richtige und wichtige Botschaft dieser historischen Einigung. Jetzt geht es darum, Farbe zu bekennen und zu beweisen, dass Europa handlungsfähig ist. Österreich hat als Brückenbauer eine besonders wichtige Rolle. Wir müssen den europäischen Wiederaufbau rasch in Gang bringen und dürfen uns nicht im „Klein-Klein“ verzetteln. Europa erlebt eine außerordentliche Situation. Da sind außerordentliche Instrumente – zeitlich befristet und an klare Kriterien gebunden – ein Gebot der Stunde. Von allen EU-Mitgliedern ist Kompromissbereitschaft gefordert. Die deutsche Regierung ist vorangegangen. Nun müssen andere folgen, damit die Länder, die am dringendsten auf Hilfe angewiesen sind, diese rasch bekommen. Davon profitiert Europa insgesamt. Denn klar ist: Wir sind wirtschaftlich so eng miteinander verbunden, dass auch stärkere Länder allergrößtes Interesse daran haben müssen, dass die schwächeren schnell wieder auf die Beine kommen. Das gilt gerade auch für Österreich. Unser Wohlstand basiert wesentlich darauf, dass es Europa gut geht, dass es offene Grenzen gibt – für Waren und für Menschen. Was haben wir in Österreich davon, bei der Bekämpfung des Coronavirus besser zu sein als andere, wenn z. B. Italien, unser zweitwichtigster Handelspartner und liebstes Urlaubsland, am Abgrund taumelt? Oder wenn dringend benötigte Arbeitskräfte für den Tourismus oder die Pflege unserer älteren oder kranken Menschen aus Rumänien, Ungarn oder der Slowakei nicht oder nur mit Ach und Krach zu uns kommen können? Wenn unsere Jugend nicht mehr in Berlin, Rom oder Madrid studieren kann und so um wichtige Erfahrungen und Kenntnisse für den weiteren Lebens- und Berufsweg umfällt? Europäische Solidarität bei der Bekämpfung der Coronakrise bringt uns alle weiter. Nationaler Egoismus schadet am Ende allen, auch den Egoisten. Wenn die EU-Kommission am Mittwoch das europäische Konjunkturprogramm und einen neuen Finanzrahmen ab 2021 präsentiert, müssen die Verhandlungen zügig abgeschlossen werden. Wer rasch hilft, hilft doppelt. Das gilt auch in diesem Fall. Die deutsch-französischen Ideen sind mehr als ein wirtschaftspolitischer Fahrplan aus der Krise. Es geht um die Zukunftsfähigkeit der EU. Vielleicht kann so aus der anfänglichen Solidaritätskrise am Ende eine – politisch wie wirtschaftlich – stärkere Europäische Union entstehen. Dann gilt das, was der frühere Kommissionspräsident Juncker schon vor Jahren sagte: „Europa findet nur durch Krisen zu mehr Integration.“ Es liegt an jedem einzelnen EU-Mitglied, dafür den Weg freizumachen.
Dr. Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Bewegung Österreich
Erschienen am Mi, 27.5.2020
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