Strenge Auflagen

10 Jahre Kuschelzelle: Heile Welt hinter Gittern?

Österreich
03.02.2017 07:45

Die Kuschelzelle - seit mehr als einem Jahrzehnt sorgt diese Einrichtung für Diskussionen und Proteste. Das klang nach roter Laterne, und das hinter Gittern. Doch die Realität ist anders und viel profaner.

Sex im Gefängnis war immer ein heikles Thema. Es gab - untaugliche - Versuche, das menschliche Bedürfnis zu unterdrücken, auch mit sedidativen Medikamenten. Skurrile Ansätze gab es auch: In den 1950er-Jahren wurden in der Strafanstalt Garsten (Oberösterreich) Hopfenblüten in die Kopfpolster gestopft. Das darin enthaltene Lupulin sollte dämpfend wirken. Das Problem: Die Gefangenen konnten den Geruch nicht ertragen.

1993 wurde die gesetzliche Grundlage für Langzeitbesuche geschaffen, so der justizinterne Terminus. Der Text ließ offen, ob damit auch Intimtreffen gemeint sind. Das klärte sich nach der Klage eines Häftlings. Der Verwaltungsgerichtshof billigte ihm Sexualkontakte im Gefängnis zu. Die erste Kuschelzelle gab es 2006 im damals neuen Justizzentrum Leoben (Steiermark). Heute verfügen elf Gefangenenhäuser in Österreich über geeignete Einrichtungen.

Meist Familientreffen mit Kindern
Den Begriff Kuschelzelle hört man in der Justiz nicht gerne. Die Erfahrung zeigt, dass die Räume nur teils für das benutzt werden, was in Urteilen früher als "beiwohnen" bezeichnet wurde. In mehr als der Hälfte der Fälle finden Treffen mit Kindern statt. Durch die Scheibe, wie sonst bei Besuchen, ist ein unbefangener Kontakt nicht möglich. "Manche Eltern ertragen es nicht, ihren Sohn nur durch das Glas zu sehen", erklärt Andrea Moser-Riebniger von der Generaldirektion für den Strafvollzug.

Die Auflagen sind streng, Kondome stellt die Justiz
Die Auflagen für derartige Besuche sind streng, obwohl die Räume wohnähnlichen Charakter haben: Häftlinge etwa, von denen Gefahr ausgeht, sind von Langzeitbesuchen ausgeschlossen. Aber auch der Besucher oder die Besucherin wird von der Justiz überprüft. Zwischen Häftling und Besucher muss vorher eine Beziehung, eine Lebensgemeinschaft oder Ehe bestanden haben. Sich eine Prostituierte zu bestellen ist unmöglich.

Lebensmittel dürfen zwar in die Räume mitgenommen werden, müssen aber in der Gefangenenkantine eingekauft worden sein. Alkohol ist verboten, Kondome stellt die Justiz zur Verfügung. Toiletteartikel wie Windeln dürfen die Besucher mitnehmen. Und: Jede Kuschelzelle verfügt über Alarmknöpfe.

Bilanz ist positiv
Wirklich passiert ist kaum etwas: Ein Prozess um eine Vergewaltigung in der Kuschelzelle in Stein endete mit einem Freispruch. Die Frau gestand im Prozess, dass sie gelogen hat. Zweimal bestand der Verdacht, dass von einer Besucherin Drogen eingeschmuggelt worden sind. Tragische Vorfälle wie in Deutschland, wo ein Häftling eine Besucherin ermordete, gab es bei uns noch nie. Die Bilanz der österreichischen Justiz ist positiv: Beziehungen während der Haft aufrechtzuerhalten sei im Sinne der Resozialisierung sinnvoll.

"Kontrolle im Vorfeld ist das Wichtigste"
Brigadier Gottfried Neuberger, Leiter der Frauenstrafanstalt Schwarzau (Niederösterreich), zieht eine positive Kuschelzellen-Bilanz: "Bei unseren Insassen geht es oft darum, Kontakte mit Kindern aufrechtzuerhalten. Bei Treffen mit Partnern ist die Kontrolle im Vorfeld das Wichtigste. Wir prüfen, ob von einem Häftling oder von einem Besucher Gefährlichkeit ausgeht." Doppelmörderin Estibaliz Carranca bekam zum Beispiel am Beginn ihrer Haft keine Freigabe für die Kuschelzelle.

Bis zu fünf Stunden Zusammensein
Bei etwa 750 Insassen in der Justizanstalt Stein (Niederösterreich) gibt es 160 bis 200 Langzeitbesuche pro Jahr. Hier kommt man in einer adaptierten Wohnung bis zu fünf Stunden zusammen, erklärt Mediensprecher Major Günter Ropp: "Sozialkontakte sollen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung erhalten bleiben." Die Zeit mit der Familie werde gern in Anspruch genommen und wirke sich positiv auf das gesamte Klima in der Justizanstalt aus.

Besuchsrecht 1993 neu definiert
In einer Novelle des Strafvollzugsgesetzes 1993 wurde das Besuchsrecht neu definiert. Im § 93, Absatz 2, heißt es: "Zur Regelung wichtiger (...) Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen ist dem Strafgefangenen in geeigneten Räumlichkeiten Gelegenheit zum Empfang von Besuchen (...) zu geben. Auf eine Überwachung solcher Besuche kann, soweit keine Bedenken bestehen, verzichtet werden."

Peter Grotter und Silvia Schober, Kronen Zeitung

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