Knapp 59% dagegen
Schweizer lehnen Ausweisungs-Initiative klar ab
Die Schweizer haben sich bei einer Volksabstimmung klar dagegen ausgesprochen, straffällig gewordene Ausländer automatisch abzuschieben. 58,9 Prozent der Wähler sowie eine deutliche Mehrheit der Kantone sagten am Sonntag Nein zu der umstrittenen Initiative der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Diese wollte, dass Nicht-Schweizer selbst bei kleineren Vergehen abgeschoben werden - und das ohne Härtefall-Ausnahmen.
Damit eine Volksinitiative angenommen wird, bedarf es einer Mehrheit der Stimmen im Land sowie einer Mehrheit der Kantone. Doch nur sechs der 26 Kantone stimmten der Initiative zu.
Hohe Wahlbeteiligung
Wie sehr das Thema die Menschen bewegte, zeigte sich auch bei der Wahlbeteiligung: Sie lag bei rund 63 Prozent und damit deutlich über den bei Volksabstimmungen üblichen 40 Prozent. In Städten wie Lausanne, Bern und Biel bildeten sich schon in der Früh lange Schlangen vor den Wahlbüros.
Schwerer Schlag für SVP
Das Nein ist ein schwerer Schlag für die SVP, die mit ihren scharfen Kampagnen gegen Einwanderer, den Islam und die EU bislang durchschlagenden Erfolg hatte. Noch im November 2010 hatten knapp 53 Prozent für eine erste SVP-Initiative zur Ausweisung straffälliger Ausländer gestimmt. Bei deren Umsetzung aber hatten Regierung und Parlament im vergangenen März eine Klausel eingefügt, die es Richtern ermöglicht, in Härtefällen die automatische Ausweisung zu stoppen.
Mit der neuen Regelung wollte die SVP die Härtefallklausel und den Ermessungsspielraum der Richter aushebeln. Gleichzeitig verlängerte sie die Liste der Ausweisungsgründe - und fügte auch, im Fall von Wiederholungstätern, Bagatellfälle wie etwa "falsche Anschuldigungen" oder "Drohungen gegen Beamte" hinzu.
Nach dem jetzigen Nein wird die Umsetzung der sogenannten Ausschaffungsinitiative vom November 2010 in Kraft gesetzt - das heißt, noch immer können kriminelle Ausländer automatisch "ausgeschafft" (abgeschoben) werden. Allerdings ist der Straftatenkatalog kürzer, und ein Richter kann über die Verhältnismäßigkeit entscheiden.
Initiative sorgte für Kontroversen im Land
Die jüngste SVP-Initiative sorgte für heftige Kontroversen in einem Land, in dem immerhin ein Viertel der ständigen Bewohner keinen Schweizer Pass hat. Mit ihrem Vorstoß stand die SVP allerdings weitgehend allein da. Alle anderen Parteien und auch die Regierung distanzierten sich von ihr. Sie sahen in der Initiative einen Angriff auf den Rechtsstaat und eine Verletzung der demokratischen Grundrechte. Zudem formierte sich in den vergangenen Wochen wachsender Widerstand innerhalb der Zivilgesellschaft. Vor allem ihrer Kampagne gelang es, die Stimmung im Land zu drehen.
In einer ersten Reaktion erklärte der künftige SVP-Präsident Albert Rösti, seine Partei habe das Ausmaß und die Intensität der Gegenkampagne überrascht. Die SVP-Abgeordnete Céline Amaudruz sprach von einer "Enttäuschung". Das Nein treffe vor allem die Opfer der Straftäter, sagte sie im Schweizer Fernsehen. Ihre Partei werde den Willen der Wähler akzeptieren, künftig aber dafür sorgen, dass die Härtefallabwägung in Zukunft tatsächlich die Ausnahme bleibe.
Berlin begrüßt Nein
In Berlin begrüßte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) das Nein zur SVP-Initiative. Die Schweizer hätten "eindrucksvoll" gezeigt, dass es "zwischen Stammtischparolen und Volkes Meinung einen Unterschied gibt", schrieb Maas auf Twitter.
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