Nach WHO-Warnung

Experten streiten jetzt über Fleisch und Wurst

Österreich
27.10.2015 20:50
Das Urteil der Weltgesundheitsorganisation WHO hat einen Expertenstreit über die gesundheitliche Bedenklichkeit von Fleisch- und Wurstgenuss ausgelöst - denn die Weltgesundheitsorganisation warnt vor Krebsgefahr. Eine Einschätzung, die von vielen Experten so nicht geteilt wird. Auch Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bezeichnete die Warnung am Dienstag als "Farce". "Es kommt immer auf die Menge an! In Maßen genossen, liefern Fleisch und Wurst aus heimischer Produktion auch wichtige Vitamine und Nährstoffe", stellte indes eine heimische Ernährungswissenschaftlerin zum Thema Wurst & Co. gegenüber der "Krone" klar.

Wer regelmäßig Fleisch isst, hat den WHO-Experten der Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) zufolge ein deutlich höheres Risiko, an Krebs, insbesondere Darmkrebs, zu erkranken. Pro 50 täglich gegessenen Gramm steige das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Werden Wurst und Schinken, also alle verarbeiteten Fleischprodukte, die gepökelt, geräuchert, fermentiert oder durch andere Prozesse haltbar gemacht wurden, darin als "krebserregend" eingestuft, heißt es zu rotem Fleisch im Allgemeinen, dieses sei "wahrscheinlich krebserregend". Für die Einstufung hatten die IARC-Experten mehr als 800 bestehende Studien über den Zusammenhang von Fleischkonsum und dem Risiko für verschiedene Krebsarten ausgewertet.

Rupprechter: "Verunsichert nur die Menschen"
"Schinken auf dieselbe Stufe zu stellen wie Asbest ist hanebüchener Unsinn und verunsichert nur die Menschen", kritisierte Landwirtschaftsminister Rupprechter auf Facebook den WHO-Bericht. Für ihn sei klar: "Österreichs Wurst ist und bleibt bedenkenlos die Beste!" In einem Kommentar unter seinem Beitrag riet der Minister einige Zeit später jedoch auch zu "maßvollem Fleischkonsum".

Auch in Deutschland rief Bundesernährungsminister Christian Schmidt die Verbraucher auf, sich nicht verunsichern zu lassen. "Niemand muss Angst haben, wenn er mal eine Bratwurst isst", erklärte er. Die Konsumenten würden "zu Unrecht verunsichert".

Die Einschätzung der WHO in Sachen Wurst und Fleisch will auch die heimische Ernährungswissenschaftlern Marilies Gruber vom FORUM Gesundheit so nicht teilen. "Natürlich" können Gruber zufolge Fleisch und verschiedene Wurst auch weiterhin unbedenklich genossen werden. "Wir haben in Österreich eine der ökologischsten Landwirtschaften der Welt und rund 20.000 Biobauern, die hochwertige Lebensmittel erzeugen."

"Bei Entwicklung von Darmkrebs spielen viele Faktoren mit"
Der Zusammenhang zwischen Krebserkranung und Fleischkonsum sei laut der Expertin "weder schlüssig bewiesen noch bis ins Letzte erforscht. Bei der Entwicklung von Darmkrebs spielen viele Faktoren mit". Es gebe beispielsweise Länder, in denen viel Fleisch konsumiert wird (teils, weil es etwa im hohen Norden im Winter kaum Möglichkeit des Gemüseverzehrs gibt), in denen die Krebsrate geringer ist, gab Gruber gegenüber der "Krone" zu bedenken. "Hier gibt es Forschungsbedarf." In dieselbe Kerbe hatte zuvor bereits der deutsche Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen geschlagen. Auch er kritisiert, dass in dem WHO-Bericht nicht erwähnt werde, dass es Länder mit hohem Fleischkonsum gebe, in denen die Dickdarmkrebs-Raten trotzdem sehr niedrig sind.

Empfohlene Menge "von Mensch zu Mensch verschieden"
Gefragt, ob es im Fleisch Schadstoffe gebe, die gesundheitsgefährdend sind, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Gruber: "Vor allem Lebensmittel mit AMA-Gütesiegel sind genau kontrolliert. Die Fleisch und Wurstprodukte von Biobauern unterliegen noch höheren Kriterien." Beim Fleischkonsum gehe jedenfalls regionale Qualität vor Importquantität. Die empfohlene Menge "ist von Mensch zu Mensch verschieden. Jeder Körper ist anders. Drei Mal pro Woche ist ok", so Gruber, die auch an die gesundheitlichen Vorteile von Fleisch erinnert: "Im Fleisch finden sich die wichtigen Vitamine A und B und Spurenelemente."

Welche Ernährung letztlich besser ist, müsse jeder für sich entscheiden. "Mischkost mit Gemüse, Fisch und eben Fleisch schadet nicht." Auch das Gesundheitsministerium verweist auf die bekannte Ernährungspyramide, wonach "maximal dreimal pro Woche Fleisch oder Wurst konsumiert werden sollte".

Jeder 17. Österreicher erkrankt an Darmkrebs
Welcher Faktor in verarbeitetem oder rotem Fleisch zu Krebs führen kann, ist auch laut Arnulf Ferlitsch von der MedUni Wien noch unklar. "Es ist jedenfalls kein isolierter Faktor." So würden beispielsweise beim Grillen und Braten von Fleisch krebserregende Substanzen - wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - freigesetzt. Jeder 17. Österreicher erkrankt in seinem Leben an Darmkrebs. "Männer haben dabei ein größeres Risiko als Frauen." Auch Tabakkonsum und Passivrauchen, seien für eine erhöhte Darmkrebsgefahr verantwortlich, betont Ferlitsch aufgrund von Untersuchungen der MedUni.

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