Klo-Offensive

Bis 2019 soll jeder Inder eine Toilette haben

Ausland
14.11.2014 18:17
In Indien gibt es mehr Handys als Toiletten. Der neue Premier des Subkontinents ist nun angetreten, das zu ändern. "Ihr müsst schockiert sein, dass ich von Sauberkeit und der Notwendigkeit zum Toilettenbau spreche", sagte Narendra Modi in einer Rede am Freitag - und setzte sich und dem Land ein ehrgeiziges Ziel: In fünf Jahren soll jeder der 1,25 Milliarden Inder eine Toilette benutzen können. Derzeit verrichtet die Hälfte der Bevölkerung ihr Geschäft in der Natur oder einfach in der nächsten Ecke.

Das hat schlimme Folgen für die Gesundheit der Menschen wie etwa Durchfallerkrankungen, Parasiten und Tuberkulose. Auch die in Indien weit verbreitete Unterernährung von Kindern sowie Kleinwuchs sehen viele Wissenschafter im Zusammenhang mit dem Toilettenmangel. Schon der Vater der Nation, Mahatma Gandhi, schimpfte über die Unsauberkeit seiner Landsleute. "Der Grund für viele unserer Krankheiten ist der Zustand unserer Bäder, und unsere Angewohnheit, unsere Exkrete immer und überall loszuwerden", schrieb er 1925.

Es ist nicht so, dass sich die Regierungen in Neu Delhi des Problems seitdem nicht angenommen hätten. Unzählige Programme wurden aufgelegt - doch immer wieder dienten die Toiletten in den Slums und in den Dörfern nach dem Abzug der Helfer als Ziegenstall und Lagerplatz. Oder das Geld dafür verschwand gleich in den tiefen Taschen der Beamten. In Mator etwa, einem 5.000-Einwohner-Ort im Norden Indiens, ist noch kein Geld für Toiletten angekommen. Und selbst aufbringen könnten sie die 500 bis 1.300 Euro für ein solches Örtchen nicht, sagen die Bewohner.

Gefährlicher Weg zum stillen Örtchen
Also gehen die meisten über die Nationalstraße auf die Felder und lassen dort neben dem Stacheldrahtzaun, der die Pflanzen schützen soll, die Hosen herab. "Mein sechsjähriger Sohn wurde auf dem Highway von einem Lastwagen überrollt, als er vom Feld zurückkam. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus", erzählt Radha Devi eine der unzähligen Toiletten-Geschichten in dem Ort.

Eine andere Tragödie spielt sich nur wenige Häuser weiter ab. Deepak Kumar, ein junger Mann, findet einfach keine Frau. "Einmal hat der Vater des Mädchens meine Familie getroffen, um die arrangierte Ehe zu diskutieren", erzählt der 23-Jährige. "Es war fast beschlossene Sache, als er begann, nach einer Toilette zu fragen. Er sagte, er würde seine Tochter nie in einen Haushalt geben, in dem es keine Toilette gibt."

Fehlendes Bewusstsein in der Bevölkerung
Allerdings reicht es nicht, wenn dann - wie so häufig in Indien - nur die Frauen die Toilette benutzen. Gehen in einem Ort nur einige aufs Klo, verbessere sich dadurch die Gesundheit der Menschen nicht signifikant, heißt es in einer Studie. Denn die gefährlichen Bakterien seien dann noch immer überall. Was Indien also bräuchte, meinen die Forscher des Forschungsinstituts für Mitfühlende Ökonomie in Neu-Delhi, sei nicht nur ein Programm zum Latrinen-Bau, sondern auch zur Latrinen-Verwendung.

Bei ihren Befragungen im Norden Indiens fanden sie heraus, dass in mehr als einem Drittel der Familien, die irgendeine Form von Toilette haben, mindestens ein Familienmitglied diese nicht benutzt.

Das gilt auch für Shripal, einen 62 Jahre alten Landarbeiter, der ebenfalls in Mator wohnt. Vor sechs Monaten baute er eine Toilette. "Das Weibsvolk und die Kinder benutzen sie, weil sie Probleme haben rauszugehen", sagt er, und meint damit die Vergewaltigung zweier Cousinen. Die Mädchen waren abends aufs Feld gegangen und in der Früh erhängt in einem Mangobaum gefunden worden. Doch für ihn selbst seien Toiletten nichts, meint Shripal. "Ich bin schon immer hinaus ins Freie gegangen."

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