Bis 2040 wird es in Tirol rund 40.000 Menschen mit Lehrabschluss weniger geben. Parallel dazu wachsen die Gruppen mit Matura oder Hochschulabschluss massiv. In seiner Kolumne fordert Experte David Narr mehr Fairness für die Lehre.
Wer wissen will, wie die Lehre in Tirol dasteht, muss sich nur die aktuelle IMAD-Studie ansehen: Drei Viertel der Tirolerinnen und Tiroler sagen, die Lehre hat ein gutes oder sehr gutes Image. Und 86 Prozent würden einem Jugendlichen eine Lehre empfehlen.
Das ist ein starkes Signal – gerade in Zeiten, in denen über die Lehre gern das Gegenteil behauptet wird. Die Bevölkerung weiß: Eine Fachberufslehre schafft eine solide Basis, gute Verdienstchancen und Perspektiven bis hin zur Selbstständigkeit. Kurz: Die Lehre hat Rückhalt. Daraus folgt: Wenn die Fachberufslehre so geschätzt wird, dann muss auch die Politik danach handeln – und zwar dort, wo es wirklich zählt: bei den finanziellen Rahmenbedingungen.
Bis 2040 wird es in Tirol rund 40.000 Menschen mit Lehrabschluss weniger geben. Parallel dazu wachsen die Gruppen mit Matura oder Hochschulabschluss massiv.
David Narr
Betriebe tragen die Hauptlast
Da läuft nämlich seit Jahren etwas schief. Für den akademischen Bereich fließen in Österreich Milliarden. Tirol leistet sich gleich sechs (Fach)Hochschulen. Studiengebühren? De facto nicht vorhanden. Ausbildungsplätze? Großteils vollständig öffentlich finanziert.
Bei der Lehre sieht die Sache ganz anders aus: Hier tragen die Betriebe die Hauptlast. Gleichzeitig wird ausgerechnet im Bereich der beruflichen Weiterbildung – Stichwort Update-Förderung – gespart. Das trifft vor allem jene, die wir am dringendsten brauchen: Fachkräfte.
Bis 2040 deutlich weniger Lehrabsolventen
Das WIFO sagt klar: Bis 2040 wird es in Tirol rund 40.000 Menschen mit Lehrabschluss weniger geben. Parallel dazu wachsen die Gruppen mit Matura oder Hochschulabschluss massiv. Das ist kein Naturgesetz – das ist eine Folge politischer Entscheidungen und der Verteilung der Fördergelder. Wenn Geld über Jahrzehnte vorrangig in akademische Wege fließt, braucht man sich nicht wundern, wenn junge Menschen dorthin strömen – und auf der anderen Seite Facharbeiterinnen fehlen.
Wie groß die Schieflage ist, sieht man auch bei den Polytechnischen Schulen – wichtige Zubringerschulen für die Lehre: seit Jahren Stillstand. Ausstattung? Mangelhaft. Standorte? Unklar. Strukturfragen? Aufgeschoben. Gleichzeitig hört man aus Politikermund, der Rückgang bei Lehrlingen liege „am Trend zum Studieren“. Ja – aber Trends entstehen nicht zufällig. Sie entstehen dort, wo man Geld und Aufmerksamkeit hinlenkt.
Aber ein bisschen mehr Fairness ist längst überfällig. Die Bevölkerung hat Vertrauen in die Lehre, die Wirtschaft braucht sie dringend.
David Narr
Mehr Mittel, wo größter Mangel herrscht
Mein Fazit ist einfach: Dort, wo der größte Mangel herrscht, müssen mehr Mittel hin. Nicht, um die akademische Schiene auszuhungern – niemand will das. Aber ein bisschen mehr Fairness ist längst überfällig. Die Bevölkerung hat Vertrauen in die Lehre, die Wirtschaft braucht sie dringend – daher muss auch die Politik endlich handeln. Nicht mit schönen Worten, sondern mit fairer Finanzierung, moderner Infrastruktur und echter Wertschätzung.
Und die gute Nachricht? Die Menschen stehen hinter der Fachberufslehre – das zeigt die Studie eindeutig. Und das nicht wegen (!) der von der Politik gebotenen Rahmenbedingungen, sondern trotzdem. Das heißt, es ist noch nicht zu spät: Wenn wir jetzt die Rahmenbedingungen verbessern, wird Tirol auch in 20 Jahren noch genug Menschen haben, die bauen, reparieren, montieren – und dieses Land am Laufen halten.
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