Der stationäre Handel kämpft, der Branchenmix ist in Gefahr, um jeden Parkplatz wird gestritten: Die Grazer Innenstadt war zuletzt häufig in den Negativschlagzeilen. Die Stadt hat eine Studie zum Mobilitäts- und Einkaufsverhalten in Auftrag gegeben – und ist mit den Ergebnissen im Wesentlichen zufrieden.
Der Stand der Dinge: 63 Prozent der Besucher in der Innenstadt sind mit dem sogenannten Umweltverbund (also Öffis, Fahrrad oder zu Fuß) unterwegs, der Rest mittels Auto. Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) ist das zu wenig: Der Mobilitätsplan 2040 sieht eine Erhöhung auf 80 Prozent Umweltverbund vor. Dreh- und Angelpunkt soll das Einkaufserlebnis sein, denn mehr als jeder dritte Weg in der Innenstadt ist damit verbunden.
Passanten-Interviews, Fragebogen, Mobilfunk-Daten
Im März und April führten Uni und TU Graz Befragungen unter Passanten durch, gemeinsam mit einem Online-Fragebogen, einer Befragung von Gewerbetreibenden und Mobilfunk-Daten ergab sich ein repräsentatives Bild über die Attraktivität jener Bereiche, die innerhalb von zehn Gehminuten rund um den Hauptplatz liegen.

Die erste Erkenntnis, die ins Auge springt: Die Innenstadt nutzt, wer in der Innenstadt wohnt. Mehr als die Hälfte der Befragten ist in den inneren sechs Bezirken gemeldet, 20 Prozent im restlichen Stadtgebiet, neun Prozent in Graz-Umgebung, acht Prozent in der restlichen Steiermark. Um das Zentrum zu attraktivieren, gilt es also, vor allem für die ansässige Bevölkerung zu arbeiten. So sind die Innenstädter auch Öffi-Vorreiter: In den inneren Bezirken erledigen nur vier Prozent ihre Einkaufswege mit dem Auto, in den übrigen Teilen der Landeshauptstadt sind es 15 Prozent. Die außerhalb von Graz wohnenden City-Besucher sind zu 43 Prozent mit dem Pkw unterwegs.
Gewerbetreibende unterschätzen Fußgänger
Interessanter Nebenaspekt: Die Einschätzung der Gewerbetreibenden wich stark von den tatsächlichen Ergebnissen ab, die Innenstadt-Unternehmer schätzten den Pkw-Anteil um ein Vielfaches höher ein – und unterschätzten umgekehrt die Fußgänger deutlich: Statt der geschätzten 14 Prozent waren 36 Prozent der Befragten zu Fuß in die Innenstadt gekommen, exakt 14 Prozent betrug hingegen der Auto-Anteil, der auf 38 Prozent geschätzt wurde.
Schwentner schließt daraus, dass die Parkplatz-Debatte zwar emotional besetzt ist, aber am Ziel vorbeischießt. Stattdessen sollen nun die bestehenden innerstädtischen Tiefgaragen evaluiert und produktiver genutzt werden. So spielte der Wunsch nach mehr Parkplätzen auch kaum eine Rolle in der Befragung, klare Nummer eins mit fast 50 Prozent waren mehr Bäume bzw. Grünflächen, gefolgt von mehr Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang.
Faktum ist aber auch: Besucher ohne Auto lassen wesentlich weniger Geld in der Stadt. Pro Einkaufstag werden im Schnitt knapp 25 Euro ausgegeben. Menschen, die zu Fuß, per Rad oder mit den Öffis unterwegs sind, geben häufig auch weniger aus, während 18 Prozent der Autofahrer pro Besuch über 200 Euro in den Geschäften und Lokalen der City ausgeben. Über alle Nutzergruppen hinweg war der Kauf eines bestimmten Produkts mit 56 Prozent das wichtigste Motiv, 53 Prozent nutzten die Gastronomie, 44 Prozent kommen, um ziellos zu bummeln (Mehrfachnennungen möglich).
Die innerstädtischen Problemzonen
Ebenfalls erhoben wurde die Aufenthaltsqualität, auf die Schwentner einen Schwerpunkt legen will. Gute Werte bekamen Färberplatz, Lendplatz und Hauptplatz, problematischer ist die Situation in der Annenstraße und am Jakominiplatz. Dort machten viele auch Sicherheitsbedenken geltend.
Während die Vizebürgermeisterin weiter begrünen und beschatten will, schwebt der Wirtschaftskammer als größere Vision die Attraktivierung der Mur – auch mit neuer Gastronomie – vor. Der Grazer WKO-Obmann Bernhard Bauer nennt hier Laibach als Vorbild. Jedenfalls müsse man auch für Besucher aus dem Umland attraktiv bleiben, warnt er vor einem Kaufkraft-Abfluss: Bei einer vergleichbaren Erhebung habe man vor einiger Zeit noch 30 bis 40 Prozent Besucher von außerhalb angetroffen, nun waren es nur noch 25 Prozent.
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.