Regisseurin Ulrike Arnold collagiert mit „Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst“ am Grazer Schauspielhaus aus Texten von Karl Valentin, Liesl Karlstadt und Daniil Charms eine rasante Fahrt durch den Horror des Alltags. Willkommen in der grotesken Geisterbahn!
Mitten durch die bescheidene Stube auf der Bühne des Schauspielhauses führen die Schienen einer Geisterbahn. Jedes Mal, wenn die Tür sich öffnet und der nächste Wagen einfährt, ist man sich nicht sicher: Kommt jetzt der ganz große Schrecken oder nur ein kleines „Buh“?
Regisseurin Ulrike Arnold und Bühnenbildnerin Franziska Bornkamp lassen den Horror des Alltags, den Karl Valentin und seine Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt in ihren legendären Sketchen beschrieben haben, vorfahren: Ob beim Zahnarzt, im Schirmgeschäft oder bei der Orchesterprobe – in der Theatercollage „Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst“ scheitern die Figuren auf geniale Weise am Alltag und an ihren Mitmenschen. Und laufen so immer wieder mit verzweifeltem Elan in die Katastrophe.
Anarchische Kraft des absurden Humors
Karl Valentin war ein ängstlicher Mensch, ein Hypochonder – und auch wenn seine Sketche heute oft als Kommentare auf die NS-Zeit gelesen werden, in der viele davon entstanden, war er alles andere als ein Widerstandskämpfer. Dennoch hat sein absurder Humor anarchische Kraft und war vielleicht auch ein Mittel, seine Ängste temporär zu überwinden.
Ähnliches gilt auch für den russischen Schriftsteller Daniil Charms, dessen Texte ebenfalls Teil der Bühnencollage sind. Er begegnete dem Stalinismus mit düster-absurdem Humor: Seine Figuren ziehen sich plötzlich Hämmer aus dem Mund oder vergessen die einfachsten Regeln der Mathematik – mit derartig grotesken Bildern begegnet Charms der Groteske des Totalitarismus.
Absurde Bildwelten
Ulrike Arnold hat mit ihrem Team in Graz mit Nestroys „Der Zerrissene“ und Lessings „Minna von Barnhelm“ bereits ihr Gespür für Komödien bewiesen. Und auch im Collagieren von Valentin, Karlstadt und Charms zeigt sie sich routiniert – nicht zuletzt, weil das grandiose Bühnenbild von Franziska Bornkamp viele Türen für absurde Bildwelten öffnet. Einziges Manko: Fast zu rasant geht es manchmal durch diese Geisterbahn, der Schrecken hinter den Pointen kann da oft nicht verfangen.
So bestimmen aberwitziger Slapstick und skurrile Wortakrobatik den Abend – famos getragen vom siebenköpfigen Ensemble: Rudi Widerhofer stolpert ebenso grandios über eine Liste von Namen wie Dominik Puhl durch die Vorbereitungen für ein Date. Annette Holzmann taucht immer wieder als skurriler Kapellmeister mit Hitler-Bärtchen auf, und Mario Lopatta verzweifelt aberwitzig an seiner Briefkorrespondenz. Otiti Engelhardt, Marielle Layher und Sebastian Schindegger komplettieren die kafkaeske Clowntruppe, die zwar immer auf der Bühne war, am Ende aber trotzdem nirgends dabei gewesen sein will.
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