Zu wenig Plätze, zu wenig Personal, zu wenig IT-Unterstützung: Der Rechnungshof prüfte die Kinder- und Jugendhilfe in der Steiermark und legt seine Finger in teils bekannte Wunden. Der FPÖ-Landesrat sieht vor allem Versäumnisse seiner SPÖ-Vorgängerin, diese verweist auf die ÖVP.
„Es kippt! Die Leute verzweifeln und brennen aus, viele verlassen das kaputte System.“ Anonym berichteten im Sommer des Vorjahres Mitarbeiter der steirischen Kinder- und Jugendhilfe der „Krone“ von ihrer fordernden Arbeit. Die Belastung sei groß: Immer mehr Familien würden Hilfe benötigen, es fehle aber an ausreichend Personal sowie Therapie- und Krisenpflegeplätzen.
Ein Jahr später stützt der Bundesrechnungshof diese Sichtweise. Er hat die Kinder- und Jugendhilfe in der Steiermark und im Burgenland in den Jahren 2018 bis 2023 untersucht, also auch die Zeit der Corona-Pandemie, als die Fälle psychischer Probleme bei den Jungen stark zunahmen.
In Österreich stiegen in diesem Zeitraum die Gefährdungsabklärungen um 23 Prozent auf knapp 47.000. Im Jahr 2022 wurden bundesweit 56.000 Mädchen und Burschen von der Kinder- und Jugendhilfe betreut. Kosten: 750 Millionen Euro.
Zu wenig Plätze in der Steiermark
Der Prüfbericht zeigt auf: In der Steiermark gibt es zu wenig bewilligte Plätze in stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Im Jahr 2022 waren es 837 – aber zugleich 1244 zu betreuende Personen. Teilweise mussten die Kinder in anderen Bundesländern untergebracht werden. Die Einrichtungen sind auch regional nicht ausgewogen verteilt, Sozialarbeiter müssen oft viel telefonieren, bis eine Unterkunft gefunden wird. Die Zahl der Plätze ist mittlerweile übrigens auf 866 gestiegen.
In der Steiermark gibt es allerdings einen hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien. Sie sind laut Rechnungshof „eine wichtige Ergänzung“ – und kommen auch deutlich günstiger. Einen Mangel gibt es hingegen an Krisenplätzen: Gerade einmal 24 standen in der Steiermark zur Verfügung. Zum Vergleich: Im Burgenland, mit viermal weniger Einwohnern, waren es im Prüfzeitraum 14. Mittlerweile sind es 29 Krisenplätze in der Steiermark, zudem soll 2026 ein Landeskrisenkompetenzzentrum entstehen.
Zur Gänze fehlen spezielle Plätze für Menschen mit Behinderung. Doch auch diese sollen nun für junge Steirer von 5 bis 15 Jahren folgen, heißt es aus dem Sozialressort des Landes.
Breiten Raum im Prüfbericht nimmt die personelle Situation ein. Es fehlen österreichweite Vorgaben, wie viele Fälle ein Sozialarbeiter betreuen kann. Beide Bundesländer verfügen zudem über keine geeignete IT-Unterstützung, vielfach ist Papierwirtschaft angesagt, die Datengrundlagen sind nicht ausreichend. Das Vier-Augen-Prinzip bei Gefährdungsabklärungen kann nicht immer umgesetzt werden. Und trotz der Mängel fehlt ein Bedarfs- und Entwicklungsplan.
Wir werden die aufgeworfenen Themenfelder sehr intensiv prüfen und ernst nehmen, um langfristige Verbesserungen zu erwirken.

Soziallandesrat Hannes Amesbauer
Bild: Jauschowetz Christian
„SPÖ hat heile Welt vorgegaukelt“
In einer ersten Reaktion heißt es von FPÖ-Soziallandesrat Hannes Amesbauer: „Einerseits unterstreicht der Bericht, dass es eine richtige Entscheidung war, die präventiven Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der Förderungen hoch zu priorisieren. Hier wurden und werden keine Abstriche gemacht. Der Prüfbericht betrifft die Amtszeit der SPÖ, die uns in den letzten Jahren eine heile Welt in diesem Bereich vorgegaukelt hat, aber offenbar zahlreiche gravierende Baustellen hinterlassen hat.“
Ex-Soziallandesrätin Doris Kampus reagiert auf „Krone“-Anfrage: „Wir haben in den letzten Jahren alles getan, um Verbesserungen in diesem sensiblen Bereich zu erzielen – mehr war mit dem Regierungspartner (ÖVP, Anm.) nicht möglich. Gekämpft haben wir vor allem dafür, dass Plätze abgesichert und neue geschaffen wurden.“ Ein besonderes Augenmerk lag laut Kampus auf den Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter, der massive Fachkräftemangel sei aber spürbar. „Wir haben immer betont, dass wir mit der Situation nicht zufrieden sind und deshalb auch zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht.“
Ohne einen klaren Plan bleibt die Kinder- und Jugendhilfe Stückwerk.

Veronika Nitsche (Die Grünen)
Bild: Podesser
Landesregierung in der Pflicht
Die grüne Landtagsabgeordnete Veronika Nitsche betont ebenfalls, dass die Mängel seit Jahren bekannt sind – nimmt aber auch die neue Landesregierung in die Pflicht und bringt eine Anfrage an das Sozialressort ein. „Hier geht es um Kinder, die dringend Unterstützung brauchen. Jede Woche ohne Plan ist eine verlorene Woche für sie – und das können wir uns schlicht nicht leisten“, so Nitsche.
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