Ludwig Biró

Trotz brutaler Verfolgung blieb er Österreicher

Steiermark
24.08.2025 09:00

Mit 18 Jahren war er 1917 noch als stolzer Österreicher in den Ersten Weltkrieg gezogen. Doch nach dem Anschluss im Jahr 1938 wurde der jüdische Anwalt Ludwig Biró von den Nazis verfemt und verfolgt und konnte Graz nur mit Glück verlassen. Der Droschl-Verlag hat seine bewegende Autobiografie „Die erste Hälfte meines Lebens“ nun neu aufgelegt.

„Ich habe bei dieser Niederschrift an meine Enkel gedacht.“ Mit diesen Worten beginnt der Grazer Anwalt Ludwig Biró seine Autobiografie. Und es sind tatsächlich erschütternde Erinnerungen, die er da für die Nachwelt zu Papier gebracht hat. 1898 in Budapest geboren, kommt er als Kleinkind mit seiner Mutter nach Graz. In seinen Memoiren erzählt er von seiner beinahe romantischen Kindheit in der Annenstraße. Der Großvater ist Weinhändler und einige Zeit Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, der Onkel führt ein Geschäft in Eggenberg. Die Familie genießt einen guten Ruf, doch die Kindheit Ludwigs endet abrupt.

Am 11. Mai 1917 meldet sich seine ganze Schulklasse freiwillig für den Kriegsdienst: „Das war Ehrensache, und für mich als Jude schon gar“, erinnert er sich. Es gibt keine Zweifel, Biró fühlt sich als Österreicher – auch als er an der Isonzofront durch eine Granate verwundet wird. Er kehrt nach Graz zurück, beginnt ein Studium der Rechtswissenschaften, heiratet und gründete eine Familie, und wird zu einem angesehenen Anwalt in der Landeshauptstadt.

Der jüdische Anwalt Ludwig Biró
Der jüdische Anwalt Ludwig Biró(Bild: Droschl Verlag/privat)

Doch Biró führt auch eine Art Doppelleben: „Mich offen als Marxist zu deklarieren, hätte das Ende meiner advokatorischen Tätigkeit bedeutet“, ist ihm klar. Also gibt er sich schmallippig über seine politische Gesinnung – immerhin ist er sowohl bei seinen Kunden als auch in der Nachbarschaft sehr beliebt und wird geschätzt – von Juden genauso wie von Ariern. Doch all das sollte sich mit dem Anschluss ändern.

Plötzlich grüßte ihn niemand mehr
Insgesamt dreimal wird er im März 1938 festgenommen und ins Kreuzverhör genommen – er ist freilich nicht der einzige. Angst und Verzweiflung sind groß in der jüdischen Gemeinde – auch weil man weiß, was in Deutschland bereits passiert ist. Besonders enttäuscht ist Biró von seinen vielen „arischen Freunden“, die ihn nach dem Anschluss oft nicht einmal mehr grüßen. Sein geliebter Onkel kündigt ihm unter Tränen an, dass er plane in die Mur zu gehen. Er macht es nicht, weil der Selbstmord ein Bruch mit dem jüdischen Glauben wäre. Biró dazu in seinen Memoiren: „Vielleicht wäre es ein leichteres Schicksal für ihn gewesen [...] als die ganze Tragödie, die in einem Vernichtungslager in Polen ihren fürchterlichen Abschluss fand.“

Ludwig Biró, „Die erste Hälfte meines Lebens“ (Droschl Verlag, 350 Seiten, 26 Euro)
Ludwig Biró, „Die erste Hälfte meines Lebens“ (Droschl Verlag, 350 Seiten, 26 Euro)(Bild: Droschl Verlag)

Ein Großteil seiner Familie sollte in Konzentrationslagern ein Ende finden. Biró kommt mit Frau und Tochter in letzter Minute – und durch die Hilfe eines „netten Ariers“ – davon. Die Familie flieht über die Grenze nach Maribor, ist einige Zeit in Zagreb und kommt dann nach Tel Aviv, wo sie bis zum Ende des Krieges bleiben. Dort beginnt Biró auch mit der Aufzeichnung von jenen Erinnerungen, die im Jahr 1998 – also 60 Jahre nach dem Anschluss und 25 Jahre nach seinem Tod – unter dem Titel „Die erste Hälfte meines Lebens“ erstmals erschienen sind.

„Mörderische, unheilbare Krankheit“
Die Memoiren sind ein ehrlicher und direkter Rückblick und geben einen sehr persönlichen Einblick in eine Gesellschaft, die dabei ist im Bann einer Ideologie seine Menschlichkeit völlig zu verlieren: „Ich hatte den Charakter eine Massenpsychose feststellen müssen, einer für uns Juden mörderischen, unheilbaren Krankheit“, analysiert Biró.

Doch trotz alledem sollte das gelobte Land nicht die Endstation von Biró bleiben. Die Familie fühlte sich „stets mit Herz und Seele“ als „echte und patriotische Österreicher“. Also kehrten sie zum frühesten möglichen Zeitpunkt im Jahr 1946 nach Österreich zurück und beteiligten sich aktiv am Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Graz. Dass hier Antisemitismus nun wieder salonfähig zu werden scheint, war ein ausschlaggebender Grund, warum der Droschl-Verlag dieses ebenso erschütternde wie wichtige Buch nun wieder auflegt.

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