"Krone"-Interview

Max Herre: “Ich erzähle keine Quatsch-Geschichten”

Musik
28.12.2013 08:00
Max Herre ist ein Multitalent - er fühlt sich nicht nur als Sänger, sondern auch als Produzent und Songwriter wohl. Mit einem "MTV Unplugged"-Album hat sich nun eine neue Karrieretür für den 40-Jährigen aufgetan. Die "Krone" unterhielt sich mit dem Stuttgarter über das Gefühl eines Klassentreffens, die Unsinnigkeit von einer Bad-Boy-Attitüde im Hip Hop und warum sein "The Voice"-Kollege Samu Haber so vernarrt in ihn ist.
(Bild: kmm)

"Krone": Max, ist es für dich eine große künstlerische Ehre, mit deinem neuen Album "MTV Unplugged Kahedi Radio Show" in die elitäre Reihe der MTV-Unplugged-Künstler aufgenommen worden zu sein?
Max Herre: Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut und bin auch sehr stolz darauf. Davon träumt wohl jeder Musiker, der gerne live auf der Bühne steht.

"Krone": Du hast für diesen Auftritt einen kompletten Karrierequerschnitt deiner knapp 17 Jahre als Musiker präsentiert. War das eine angenehme nostalgische Rückschau?
Herre: Es ist schon eine Werksschau – eine Art Audio-Autobiografie. Es sind aber nicht Songs, die ich 17 Jahre lang nicht gespielt habe, sondern in Konzerten durchaus verwendet habe. Es gab aber schon ein paar Perlen, die ich dafür wieder ausgegraben habe.

"Krone": Es sind sogar Songs aus deiner Zeit bei Freundeskreis dabei.
Herre: Einige sogar. Ich hab Songs von all meinen Platten verwendet und natürlich auch welche von Freundeskreis, wo ich mir sicher war, dass sie die Zeit gut überstanden haben. Ich denke da an "A.N.N.A.", "Mit dir" oder "Tabula Rasa" – es geht zurück bis 1996. Der Abend war so etwas wie ein Revival. Bei "Tabula Rasa" waren Gentleman, Joy Denalane und Afrob dabei und das war sehr schön und nostalgisch. Das war für mich wie ein Abitur-Treffen nach 20 Jahren (lacht).

"Krone": Wie hast du das Zusammenspiel mit einem 25-köpfigen Orchester erlebt?
Herre: Meine Band habe ich schon über Jahre und die ist sehr eingespielt. Dazu kamen dann noch Streicher, Bläser und die Harfinistin. Die haben sich quasi an unsere Art und Weise des Spielens raufgesetzt. Lillo Scrimali hat die Streicher arrangiert und Bläsereinsätze geschrieben. Mit ihm bin ich schon seit 2000 unterwegs. Es hat sich alles sehr gut und homogen angefühlt. Wir konnten auch viele Nummern spielen, die genau so auf den Platten drauf sind. Früher mussten wir die Sachen samplen und jetzt konnten wir viele Teile wirklich live und unplugged umsetzen.

"Krone": Du hast eine Riesenanzahl an berühmten Gästen für dieses Projekt gewinnen können. Philipp Poisel, Samy Deluxe, Gentleman oder Sophie Hunger sind nur einige Beispiele. War es schwierig, die Leute ins Boot zu holen?
Herre: Sie dafür zu begeistern war nicht schwierig, aber das Ganze zu koordinieren und einen gemeinsamen Termin zu finden. Das sind ja alles selbst Musiker mit großen Karrieren, die irgendwo auf der Welt spielen und Platten aufnehmen. Ich bin schon sehr froh, dass wir einen Termin gefunden haben, wo wir wirklich zusammenkamen.

"Krone": Gab es auch Wunschgäste, die du aus terminlichen Gründen nicht bekommen hast?
Herre: Ich hätte natürlich gerne wieder etwas mit Udo Lindenberg gemacht, weil ich vor zwei Jahren auch auf seinem Unplugged-Album drauf war, aber der war auf Weltreise in China oder irgendwo (lacht). Im Grunde bin ich aber sehr froh, dass so viele meiner musikalischen Wegbegleiter und Freunde kommen konnten. Es gab auch Leute, mit denen ich nicht gerechnet hätte, wie zum Beispiel Gregory Porter. Das hat relativ kurzfristig geklappt und hatte eine wirklich große Bedeutung für mich. Ich bin auch sehr froh über Fab 5 Freddy, den Moderator der Kahedi Radio Show. Er gibt dem Ganzen eine Klammer und hievte es auf das nächste Level.

"Krone": Unlängst hast du beschlossen, mit dem Unplugged-Programm auf Tour zu gehen. Vorerst sind acht Konzerte in Deutschland fixiert.
Herre: Genau, wir spielen damit im Sommer Open-Airs und planen noch mehr Auftritte. Wir werden da mit dem großen Orchester und diversen Gästen anreisen. Meine Frau Joy, Afrob, Grace und Megaloh sind permanent dabei und von Stadt zu Stadt werden noch diverse andere Gäste dazustoßen. Wer wo wie Zeit hat, müssen wir die nächsten Monate planen.

"Krone": Das ist eine musikalisch neue Welt für dich. Verursacht der Gedanke, das Programm live zu spielen, bei dir ein zusätzliches Kribbeln?
Herre: Mit einer Band zu spielen mache ich bereits seit dem Beginn meiner Karriere, das ist jetzt nicht so neu für mich. Aber klar, das Programm gibt mir einen zusätzlichen Push. Durch die Streicher und Bläser ist das noch einmal ein ganz anderer Klangkörper und es wird anders emotionalisieren. Sowohl mich als Musiker als auch die Leute. Es ist einfach noch etwas Konzertanteres als das, was ich sonst mache.

"Krone": Wirst du mit dem Programm auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus auftreten?
Herre: Ich habe es vor und würde mich total darüber freuen. Ich liebe Österreich und bin ein totaler Wien-Fan. Ich nütze jede Gelegenheit die ich bekomme, um wieder mal nach Wien zu kommen. Wenn das jemand liest oder hört und mich einladen will – nur zu (lacht).

"Krone": Du warst schon immer eine Person, die sich gerne außerhalb des Hip-Hop-Genres bewegt hat. Wie wichtig sind dir die Ausweitung deiner Musik und das Niederreißen stilistischer Grenzen?
Herre: Diese Grenzen habe ich selbst gar nicht, weil ich, als ich mit 15 begann, Musik zu machen, auch nicht mit Hip Hop startete. Ich war damals bei meiner ersten Band einfach Fan von Reggae-, Funk- und Soul-Musik. Rap kann bei mir erst später, weil es damals zeitgenössisch war. Es hat eben einfach perfekt den Zeitgeist getroffen und war für mich eine ideale Form, um mich auszudrücken, und trotzdem alles was ich mag und davor selbst war, zu integrieren. Mein Ansatz war immer, Hip Hop als eine Art Melange aus allen Sachen, die ich mag, zu sehen. Ich habe mir immer erlaubt, das auch so zu leben. Das hieß eben damals auch, Gentleman zu integrieren. Auf "Tabula Rasa" hatte er seinen ersten Gastauftritt überhaupt auf Platte. Ich war einfach interessiert an unterschiedlicher Musik und ich liebe Gesang und tolle Stimmen. Wenn ich mit guten Leuten arbeiten kann, kriege ich das Gefühl, dass es meine Musik bereichert und mich nach vorne bringt.

"Krone": Hip Hop wird gerne mit einer Bad-Boy-Attitüde in Verbindung gebracht. Stehst du dem als offener Künstler skeptisch gegenüber?
Herre: Ich mag dieses generelle Bild davon nicht, denn Hip Hop ist genauso breit aufgestellt wie alle anderen Arten von Musik. Bad Boys und Good Boys gibt es eben nicht nur im Rock 'n' Roll, sondern auch im Hip Hop. Für mich war in der Musik immer wichtig, textlich nah an sich selbst dranzubleiben und authentisch zu sein. Wenn jemand ein Bad Boy ist, ist das ja okay. Meine Kritik war immer an die Leute gerichtet, die nur so tun, als ob sie das wären. Das geht einfach nicht. Die Stärke der Kunstform Hip Hop liegt darin, dass man seine Geschichte erzählt und seine Umgebung und sein Leben spiegelt. Wenn jemand nur irgendwelche Quatsch-Geschichten erzählt, ist es für mich nicht mehr interessant. Man hat dann sein Alter Ego geschaffen und macht auch eine Art von Kunst – für mich wäre das aber nichts. Ich habe mich in allen Musikrichtungen an Leuten orientiert, die mir was aus ihrem Leben erzählt haben und ein Stück ihrer Lebensrealität mit mir geteilt haben. Das konnte ich für mich ableiten und es war letztlich genau das, was ich auch machen wollte.

"Krone": Ist es möglich, dass Max Herre mit steigendem Alter zu einem gediegenen Jazz- oder Soulmusiker wird?
Herre: Ich habe nicht die Qualität, ein gediegener Jazz-Musiker zu werden, und bin auch nicht der große Soulsänger. Ich kann mir gut vorstellen, eine Jazz-Platte zu produzieren. Ich würde dort aber jemand anderes Klavierspielen und Singen lassen (lacht). Das Produzieren ist mein zweites Standbein und ich habe sehr viel Freude daran, weil ich unterschiedlichste Musik ausprobieren und mit den Besten arbeiten kann.

"Krone": Dein aktuelles Album "Hallo Welt!" schlug im deutschsprachigen Raum wie eine Botlicher Distanz an?
Herre: Ich höre sie gar nicht so oft, aber ich finde sie schon sehr gelungen. Es war jedenfalls das richtige Album zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe reingesteckt, was ich hatte, und versucht, alle meine Einflüsse darauf zu bündeln. Es war mir wichtig, eine homogene Arbeit abzuliefern, und bin froh, dass ich es auch so hingekriegt habe. Das Album hat auch wieder viele junge Leute zu Hip Hop herangeholt und die haben dadurch wieder mich neu entdeckt. Das Album hat mir schlussendlich auch die "MTV Unplugged"-Platte ermöglicht. Darüber bin ich schon sehr froh.

"Krone": Auf dem Album geht es nicht nur um Persönliches, sondern du sprichst auch sozial- oder gesellschaftspolitische Themen an. Hat Kunst für dich einen Bildungsauftrag?
Herre: Der Künstler hat auf jeden Fall die Verantwortung zu wissen, dass viele Leute seine Musik hören und dadurch auch in verschiedenen Bereichen beeinflusst werden. Für mich gibt es schon Sachen und Themen, die ich nicht nach außen tragen möchte. Andere möchte ich vielleicht wieder bewusst hervorheben. Ich bin auch Familienvater und habe dadurch schon das Gefühl, dass ich gewissen Leuten gerecht werden möchte. Deshalb möchte ich auch nicht irgendetwas verzapfen, sondern Dinge, die Hand und Fuß haben. Ich sehe mich aber nicht als politischen Musiker, sondern als jemanden, der sich die Welt ansieht und darüber schreibt, was ihn umgibt. Das sind einerseits private und andererseits auch soziale Themen.

"Krone": Du bist seit etwa zehn Jahren als Solokünstler unterwegs und hast in der Zeit drei Alben herausgebracht. Klingt im ersten Moment nicht nach allzu viel. Liegt das auch an deiner Rolle als Familienvater?
Herre: Ich habe die ganze Zeit Musik gemacht. Seit 2002 sind insgesamt sechs Alben entstanden, weil ich auch die drei Alben meiner Frau Joy Delalane produziert habe. Da war ich als Produzent und Texter voll involviert und vor allem ihre erste Platte hat mir fast mehr Zeit gekostet als alles, was ich für mich oder Freundeskreis gemacht habe. Wenn man das mitrechnet, klingt das ja gar nicht mehr so schlecht oder? (lacht) Es war eine Entscheidung, für mich als Musiker zu sagen, dass ich nicht nur Frontmann, sondern auch Produzent und Songwriter bin. Für mich sind die Alben genauso meine Babys wie eine Platte, auf der mein Name steht.

"Krone": Deine Frau und du stehen beide im Rampenlicht. Ist das nicht besonders schwierig für eine Beziehung?
Herre: Über die Jahre haben wir gelernt, dass wir uns aus dem Rampenlicht ziemlich raushalten. Privatleben und Familie haben für uns nichts in der Öffentlichkeit zu suchen. Es ist insofern von Vorteil, als das man sich gegenseitig sehr gut auffangen kann. Man kann nachvollziehen, was beim anderen gerade passiert, oder mit welchen Problemen er unter Umständen zu kämpfen hat. Es ist das Verständnis dafür da, dass man beim Musikmachen auch mal komplett eintaucht und es Tage gibt, wo man erst um 3 Uhr morgens aus dem Studio kommt und trotzdem noch eine Melodie summt. Für jemanden, der keine Musik macht, ist das sicher schwerer nachzuvollziehen, warum jemand von der Arbeit kommt und die Arbeit noch immer da ist.

"Krone": Dafür lassen sich Berufliches und Privates sicher nicht immer leicht trennen.
Herre: Das ist eben so. Musik ist unsere große Leidenschaft und sie geht in jeden Lebensbereich rein. Da gibt es einfach keine kontrollierten Arbeitszeiten.

"Krone": Du bist auch schon länger bei "The Voice" dabei und unlängst gab es ein paar Frotzeleien der BossHoss-Jungs in deine Richtung. Wie viel davon ist Sein oder Schein?
Herre: Das Tolle an der Sendung ist ja, dass sie den Talenten gegenüber ganz respektvoll ist. Die Ebene, auf der man ein bisschen herumfrotzelt, verlagert man eben auf die Coaches. Das ist ein schönes Spiel, das uns Spaß macht und bei dem es manchmal auch heiß her geht. Am Abend sitzt man aber an der Bar im Hotel, stößt an und probiert trotzdem, eine gute Zeit miteinander zu haben.

"Krone": Sunrise-Avenue-Sänger Samu Haber hat sich als totaler Fan von dir und deiner Musik geoutet. Das wiederum stimmt wahrscheinlich schon?
Herre: Ja, wir mögen uns wirklich gerne. Samu konnte ja anfangs nicht richtig gut Deutsch und hatte in Finnland einen Deutschlehrer aus Konstanz und der ist ein totaler Freundeskreis-Fan. Von ihm hat Samu meine Platten bekommen und die "Hallo Welt!"-Scheibe hat er dann im Auto laufen lassen, um sein Deutsch zu verbessern, und er hat dann richtig Gefallen daran gefunden. Er rappt jetzt backstage immer meine Songs (lacht).

"Krone": Das mündet ja vielleicht einmal in eine Kooperation.
Herre: Das wird man sehen. Wir sind musikalisch schon auf verschiedenen Planeten unterwegs, aber wer weiß? Sag niemals nie.

"Krone": Erfüllst du bei "The Voice" gerne die Rolle des netten Kerls?
Herre: Bin ich der? Das weiß ich gar nicht.

"Krone": Ich behaupte, dass das nach außen hin so wirkt.
Herre: Finde ich natürlich gut. Im Prinzip kommen da junge Leute mit einem riesengroßen Talent an und stehen vor einer völlig neuen Situation. Natürlich will ich ihnen dann helfen, sie sollen keinesfalls aufgeschmissen sein. Ich will ihnen eine gute Zeit und eine gewisse Grundsicherheit geben. Ich bin schon kritisch und kann auch ausdrücken, wenn mir etwas nicht gefällt, aber für mich ist der Grundtenor, den Leuten positiv und respektvoll gegenüberzutreten. Ich habe keine Lust, irgendjemanden vorzuführen.

"Krone": Da sind Talente im Feld, vor denen auch ein Max Herre seinen Hut ziehen muss.
Herre: Ich bin auch selbst total beeindruckt davon. Da ist so eine geballte Anzahl an guten Leuten, sodass ich mich immer wundern muss, dass die in diversen Wohnungen oder Kinderzimmern nicht schon eher entdeckt worden sind.

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