Wegen zunehmender Kletterunfälle und Bergrettungen entwickelte Bergführer Heli Putz eine neue Ernsthaftigkeitsskala für Klettersteige, denn ein C-Steig kann harmlos, aber auch lebensgefährlich sein.
Ein lose gewordener Felsanker mitten im Gams-Klettersteig am Krippenstein wird an diesem Tag schnell ersetzt – mit geübtem Griff und ruhiger Hand. Heli Putz, einer der erfahrensten Bergführer, Seminarleiter, Event-Organisator und abenteuerlicher Unternehmer aus dem Salzkammergut (OÖ), ist bei der Arbeit.
Doch der Routineeinsatz im steilen Fels, bei dem ihm die „Bergkrone“ begleitete, hat einen ernsteren Hintergrund: Der 61-Jährige aus Bad Goisern sorgt sich um die Sicherheit der Klettersteiggeher – und bringt deshalb eine einfache, aber weitreichende Idee ins Spiel.
Heli hat in den vergangenen 20 Jahren mehr als 35 Klettersteige errichtet – darunter spektakuläre Linien wie den Donnerkogel-Klettersteig oder die Steige an der Drachenwand am Mondsee. In dieser Zeit hat sich das Klettersteiggehen vom Nischen- zum Trendsport entwickelt.
Doch mit dem Boom kommt das Risiko: „Heute sind viele unterwegs, die keine alpinistische Ausbildung haben. Die sehen die Schwierigkeitsskala von A bis F und denken sich: Ich hab schon mal einen C gemacht, das geht schon.“ Was dabei laut Heli oft übersehen wird: Ein C-Steig im Tal, nahe dem Parkplatz, ist etwas völlig anderes als ein C-Steig auf 2800 Metern Höhe mit langem Zustieg, Wettergefahr, Steinschlag und schwierigem Abstieg.
Die Lösung: Eine zweite Zahl
Deshalb schlägt Heli vor, die bekannte Schall-Skala (A leicht bis F extremst schwierig) mit einer Ernsthaftigkeitsskala von 1 bis 10 zu ergänzen. „Es geht mir nicht darum, ein neues Bewertungssystem für Klettersteige zu erfinden“, betont Heli, „sondern das bestehende sinnvoll zu erweitern.“
Die Zahl soll auf einen Blick zeigen, ob ein Klettersteig im sicheren Umfeld liegt oder in exponiertem alpinen Gelände. Faktoren wie Erreichbarkeit, Rettungsmöglichkeiten, Wetterabhängigkeit und alpiner Charakter fließen ein.
Gams-Klettersteig
Ein leichter Steig am Krippenstein in Obertraun, mit Seilbahnnähe, aber auf rund 2000 Meter Höhe, ohne Notausstieg. Heli: „Ich bewerte diesen mit C3!“
Nordwand-Klettersteig
Der anspruchsvollste Klettersteig im Dachstein-Gebiet mit schwer erreichbaren Passagen. Schlecht vorbereitet, wird‘s schnell ein echter Ernstfall. Von Heli gibt es dafür eine D7.
Donnerkogel-Klettersteig
Einer der beliebtesten Klettersteige Österreichs, mit Himmelsleiter und dennoch oft unterschätzt. Technisch ist der Steig für fast jeden machbar, aber mit zweistündigen, gefährlichem Abstieg – vor allem bei Ermüdung oder Schlechtwetter. Fünf Rettungen pro Jahr sprechen für sich. Helis Bewertung: C8.
Johann-Klettersteig
Eindrucksvoll in der Dachstein-Südwand, sportlich nicht überfordernd, dennoch in großer Höhe und mit langem Zustieg. Eine Rettung kann extrem aufwendig werden. Die Schwierigkeit samt Ernsthaftigkeit bewertet Heli deshalb mit C7.
System anpassen – nicht die Klettersteiggeher
Der Bergführer weiß auch, dass sich die Art, wie Menschen in die Berge gehen, in den vergangenen Jahren sehr verändert hat. „Früher hat man Karten studiert, Führerliteratur gelesen, heute schaut man ins Smartphone. Die Leute sind nicht schlechter vorbereitet, sondern anders. Darauf müssen wir reagieren.“
Statt über Generationen zu schimpfen, setzt Heli deshalb auf seine einfache Lösung: „Die Zahl hinter dem Buchstaben versteht jeder.“ Denn wer einen B9-Steig begeht, muss sofort erkennen, dass der Steig selbst harmlos ist, aber es im Fall eines Notfalls rasch einmal lebensgefährlich werden kann, wenn man sich nicht ernsthaft genug auf das Bergabenteuer vorbereitet hat.
Klettersteige sind heute Wirtschaftsfaktor
Bei unserer gemeinsamen Tour blickt Heli auch auf die Entwicklung des Klettersteigbaus zurück. „Als wir angefangen haben, waren diese verpönt. Heute profitieren Hüttenwirte, Tourismusverbände, Bergführer und Seilbahnbetreiber. Klettersteige sind zum Wirtschaftsfaktor in den Alpen geworden.“
verzeichnen beliebte Klettersteige, wie Donnerkogel, Drachenwand oder Postalm jährlich – auch dank Social Media und aktiver Tourismuswerbung.
Doch mit dem Boom verändert sich die Verantwortung. „Früher dachten wir, eine schwere Stelle am Anfang selektiert. Heute ist das riskant. Es gibt Stau, Druck von hinten – und dann geht jemand blau weiter. Das geht nicht“, erklärt der Profi-Bergführer, der mit seinem Team gerade dabei ist, seine Ernsthaftigkeitsskala bei seinen Steigen zu implementieren.
Heli: „Ich weiß, es wird Diskussionen geben, aber ich bin überzeugt, die Ernsthaftigkeitsskale wird sich durchsetzen.“
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