Alpine Geschichte

Namensrätsel: Deutsche Schutzhütten in Österreich!

Bergkrone
08.07.2025 09:45

Wenn Wanderer in der österreichischen Bergwelt eine Pause einlegen, stoßen sie oft auf vertraut klingende Namen: Berliner Hütte, Mannheimer Hütte, Freiburger Hütte, Konstanzer Hütte. Was auf den ersten Blick wie ein geografischer Irrtum wirkt, ist in Wirklichkeit ein Kapitel alpiner Geschichte, das bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht – und heute aktueller ist denn je.

Eine Debatte in Südtirol über die Umbenennung historischer Schutzhütten hat die Aufmerksamkeit auf ein oft übersehenes Phänomen gelenkt: die deutsche Handschrift in der österreichischen Berglandschaft.

Die Geschichte beginnt mit dem „Deutschen und Österreichischen Alpenverein“, der bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein mächtiges Netzwerk von über 400 Sektionen in Österreich, Deutschland und Südtirol vereinte.

In dieser Blütezeit des Alpinismus errichteten zahlreiche deutsche Sektionen Schutzhütten in den österreichischen Alpen – teils mit hohem finanziellem und logistischem Aufwand. Diese Hütten trugen und tragen bis heute die Namen ihrer errichtenden Sektionen, wie etwa „Berlin“, „Hannover“, Essener-Rostocker“, „Mannheim“, „Konstanz“ oder „Freiburg“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trennten sich die Wege des Deutschen und des Österreichischen Alpenvereins, doch das Erbe blieb: Die Hütten, gebaut auf österreichischem Boden, blieben im Eigentum der ursprünglichen Sektionen – samt ihrer Namen.

Heute umfasst das gemeinsame Hütten-Netz des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV), des Deutschen Alpenvereins (DAV) und des Alpenvereins Südtirol (AVS) stolze 569 Schutzhütten, davon 225 in österreichischem Besitz.

„Wem die Hütte gehört, ist zweitrangig“
Trotz der historisch verwurzelten Eigentumsverhältnisse steht für den ÖAV der praktische Nutzen im Vordergrund. Generalsekretär Clemens Matt betont: „Für uns zählt nicht, wer im Grundbuch steht – entscheidend ist, dass die Hütten offen sind, Sicherheit bieten und ihre alpine Funktion erfüllen.“

Denn Hütten sind weit mehr als nur Schlafplätze in den Bergen: Sie sind Schutzräume in Notfällen, zentraler Bestandteil des Bergtourismus – und Orte, an denen grenzüberschreitende Zusammenarbeit gelebt wird. Gerade in Zeiten des Klimawandels, der den Alpenraum zunehmend fordert, ist diese Kooperation ein wichtiger Teil.

Südtirol diskutiert, Österreich handelt
In Südtirol wurde jüngst eine Umbenennungsdebatte angestoßen - jedoch nicht aus nationalen Motiven, sondern um lokale, ortsbezogene Bezeichnungen sichtbarer zu machen. Der Alpenverein Südtirol legte dabei Wert darauf, keine Namen zu tilgen, sondern neue Identitäten zu fördern, die sich stärker mit der Landschaft und Geschichte vor Ort verbinden.

In Österreich hingegen ist eine solche Diskussion nicht nötig, erklärt Matt: „Unsere Hütten tragen die Namen der Sektionen, die sie führen und pflegen. Das ist transparent und historisch gewachsen.“

Umbenennungen mit Verantwortung
Dennoch ist auch in Österreich nicht jeder Hüttenname in Stein gemeißelt. So wurde etwa 2025 die Heinrich-Hackel-Hütte in Werfenweng (Salzburg) in Söldenhütte rückbenannt. Der Grund: Eine intensive Auseinandersetzung mit der Biografie des einstigen Namensgebers.

Heinrich Hackel, einst eine bedeutende Figur im Alpenverein, trat bereits in den 1920er-Jahren mit antisemitischen Positionen hervor und war aktiv am Ausschluss jüdischer Bergsteiger beteiligt. Für die Sektion Salzburg ein klares Signal: Wer Geschichte bewahrt, muss sie auch kritisch beleuchten.

Der Entschluss zur Umbenennung fiel einstimmig. Ein Symbol dafür, dass alpine Werte heute mehr denn je Offenheit, Vielfalt und Verantwortung bedeuten.

Die Namen an den Hüttenschildern zeigen also nicht nur, woher eine Sektion kommt – sie erzählen auch von über 150 Jahren gelebter Zusammenarbeit, kultureller Entwicklungen und historischer Reflexion.

Und vielleicht ist genau das der wahre Wert dieser alten Mauern: Dass sie uns nicht nur Schutz bieten auf unseren Wegen durch die Berge, sondern auch Raum zum Innehalten und Nachdenken über das, was war – und was noch kommen soll.

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