Der Vorfall geschah in der Nacht auf den 31. Oktober 2011 - nur wenige Stunden, nachdem die beiden Zellengenossen um separate Unterbringung gebeten hatten. "Sie haben uns gesagt, dass sie sich nicht mehr vertragen", berichtete eine Beamtin dem Schwurgericht. Da es bereits knapp vor 20 Uhr war, wurden die Häftlinge auf den nächsten Morgen vertröstet. Nur knapp fünf Stunden später lag der 22-Jährige mit zerschmettertem Schädel und ohne Bewusstsein in seinem Blut. Der 45-jährige Sandor Z. lag mehrere Meter von ihm entfernt am Boden. In seinem Bauch steckte ein Messer.
Anspannung an Mithäftling abreagiert
Der Angeklagte hatte seinem Zellengenossen zuvor im Streit eine Hantelscheibe gegen den Schädel geschlagen. Sandor Z. saß zu diesem Zeitpunkt in U-Haft - er hatte in der Silvesternacht 2009/2010 vor einem Lokal mehrere Männer mit einem Messer attackiert und einem von ihnen einen lebensgefährlichen Lungenstich versetzt. Er dürfte seine Anspannung ob des ungewissen Ausgangs seines Strafverfahrens und der ihm drohenden langjährigen Haft an seinem Mitgefangenen abreagiert haben.
Der 45-Jährige selbst behauptete hingegen vor Gericht, aus Notwehr gehandelt zu haben: Der 22-Jährige habe ihn zuerst attackiert. "Er hat mich niedergedrückt und hat mich gestochen", so Z. Er habe am Boden liegend nach hinten gegriffen, eine Hantelscheibe zu fassen bekommen und zugeschlagen.
Opfer leidet seit Tat an epileptischen Anfällen
Sowohl die Aussage des Opfers als auch ein DNA-Gutachten widersprachen jedoch dieser Darstellung. Die Expertise legte vielmehr nahe, dass sich der 45-Jährige die Wunde am Bauch selbst zugefügt hatte, um die Notwehr-Situation zu untermauern.
Der 22-Jährige überlebte den Angriff dank mehrerer Operationen, aufgrund der Hirnverletzungen leidet der Mann seither jedoch an epileptischen Anfällen. Ob er je wieder in seinem angestammten Beruf als Kellner arbeiten könne, sei fraglich, zumal ihm erst vor wenigen Wochen die rechte Schädeldecke wieder eingesetzt worden sei, erläuterte die Gerichtsmedizinerin.
Hantelscheibe als Tatwaffe wurde nicht beschlagnahmt
Welches Gewicht die Hantelscheibe bei der Attacke hatte, kann im Nachhinein übrigens nicht mehr geklärt werden. Aus unverständlichen Gründen hatte man die blutverschmierte Scheibe nicht beschlagnahmt, sodass sich die Tatwaffe nicht mehr feststellen ließ.
Überhaupt warf das Verfahren kein besonders gutes Licht auf die Justizanstalt, die erst im vergangenen Sommer ins Gerede gekommen war, als in der Jugendabteilung ein 14-Jähriger von Mitgefangenen vergewaltigt wurde. Ausgerechnet in der Zelle des mehrfach vorbestraften Gewalttäters Sandor Z. wurden kistenweise Hantelstangen und teilweise mehrere Kilogramm schwere Gewichte gelagert, die allesamt als Waffen geeignet waren.
Grund: Infolge von Platzmangel war ein angrenzender Trainingsraum in eine Zelle "rückverwandelt" worden, die Trainingsgeräte stellte man "aus logistischen Gründen" - so die Erklärung eines vernommenen Justizwachebeamten - einfach zu Sandor Z. in die Zelle.
Während der 45-Jährige das Urteil akzeptierte, erbat der Staatsanwalt Bedenkzeit. Er hatte die Gewalttat als versuchten Mord angeklagt.
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